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Politik: Keine Angst vor Gegnern

Von Stephan-Andreas Casdorff

Mahmud Ahmadinedschad ist die größte Herausforderung deutscher Politik seit Jahrzehnten. Ohne Ausflucht in diplomatische Formeln: Er droht dem Staat Israel mit Vernichtung. Sehen wir deshalb dem Kommenden ins Gesicht: Irans Präsident will seine Mannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft besuchen, wenn sie die Vorrunde übersteht. Ein leiser Stoßseufzer gen Himmel reicht da nicht.

Charlotte Knobloch, die neue Präsidentin des Zentralrats der Juden, sagt im Blick auf die offizielle deutsche Haltung zum Iran das Wort, das hier keiner hören mag. Das Wort, das unsere Regierenden niemals hören wollten: Appeasementpolitik. Dieser Hinweis ist deshalb so geschichtsmächtig, weil Knobloch noch dazu sagt: Wir haben diese Politik schon einmal erlebt und wissen, wohin sie führt. Kann ein Vorwurf, erhoben in Deutschland von einer Jüdin gegen deutsche Politiker, härter sein? Er gellt wie ein Schrei. Sage keiner, Knobloch sei eine Einzelstimme. Sie ist einstimmig gewählt.

Beschwichtigungspolitik also. Die Juden in Deutschland sind in großer Sorge – und das Führungsgremium des Jüdischen Weltkongresses tagt am Dienstag in Berlin, auf der Tagesordnung steht als erster Punkt die Iranpolitik. Die Sorge wächst über Deutschland hinaus, und mit ihr Knoblochs Forderung, „die Stimme zu erheben gegen den Iraner“.

Nun, erhoben hat die Bundesregierung ihre Stimme, nicht zuletzt auf höchster Ebene. Dagegen spricht nicht, dass sie zugleich auf der unteren versucht, mit dem Regime über eine Lösung zu reden. Nein, Kanzlerin Angela Merkel hat Sätze wie diese gesagt: „Das Existenzrecht Israels darf niemals in Frage gestellt werden. Deshalb ist es für jede deutsche Bundesregierung auch unerträglich und nicht hinnehmbar, wenn der iranische Staatspräsident genau dieses Existenzrecht Israels in Frage stellt. (…) Ich möchte Ihnen sagen: Mein Land, Deutschland, wird alles daran setzen, dieser Verantwortung gerecht zu werden.“

Das alles und noch mehr hat die Kanzlerin zum 100-jährigen Bestehen des American Jewish Committee (AJC) in Washington gesagt. Bisher hatte noch kein Kanzler auf einer Jahresfeier des AJC gesprochen, und Merkel sprach von einer großen Ehre. Sie ist mit ihren Sätzen – in dieser Situation – über den üblichen Rahmen hinausgegangen. Kann eine Selbstverpflichtung klarer sein? Nach Appeasement klingt sie nicht. Sie verpflichtet Deutschland im Fall der Fälle sogar zu mehr, als die Stimme zu erheben.

Nun wird Irans Präsident womöglich nach Deutschland kommen, im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft, sein Stellvertreter ist schon da. Der Iran ist völkerrechtlich unzweifelhaft anerkannt als Staat, er kann sich repräsentieren lassen, von wem er will, es zählt dafür nur seine Verfassung. Die Einreise zu verwehren, wäre nach internationalen Gebräuchen ein Eklat. Zur Einreise des Stellvertreters hat die Bundesregierung gesagt, rechtliche Gründe gegen ein Visum gebe es nicht, es werde aber keine Kontakte zu Regierungsmitgliedern geben, dem Vizepräsidenten werde keine protokollarische Begleitung zuteil. Das klingt in der Tat beschwichtigend. Denn Antisemitismus macht keine Pause in dieser Zeit.

Wie wäre es stattdessen mit, sagen wir, konfrontativer Diplomatie? Wenn Mahmud Ahmadinedschad einreisen will, soll er nur kommen – dann kann ihm ins Gesicht gesagt werden, dass das Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ für ihn so nicht gilt. Nicht für alle, die kommen, müssen wir Freunde sein, Freundschaft hat Voraussetzungen. Er erfüllt sie nicht. Dem iranischen Präsidenten kann hier klar werden, dass es keine Bundesregierung hinnimmt, wenn Israel bedroht wird. Dass es für Deutsche Verpflichtung ist, jeder Form von Antisemitismus entschlossen entgegenzutreten. Seine Politik ist die Herausforderung, Deutschland hat keine Wahl, als sie unmissverständlich zu beantworten. Wie die Kanzlerin vor dem American Jewish Committee gesagt hat: „Diese Verpflichtung muss sich im Alltag bewähren – durch staatliches Handeln und durch Zivilcourage jedes Einzelnen.“

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