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Politik: Keine Post, keine Züge, keine Schule

In Frankreich wird diese Woche gestreikt

Alles wird gut, hatte Frankreichs Regierungschef Jean-Pierre Raffarin noch in seiner Neujahrsansprache versprochen, so zaghaft allerdings, dass bevorstehendes Unheil schon in der Luft lag. In dieser Woche war es nun so weit: Jeden Tag legte eine andere Berufsgruppe das öffentliche Leben lahm. Am vergangenen Dienstag die Postler, einen Tag später die Eisenbahner, 48 Stunden später die Lehrer und die Ärzte in staatlichen Krankenhäusern.

Noch wagt kein Politiker, eine ähnlich große Streikwelle wie 2003 vorauszusagen, beschwichtigende Töne überwiegen. Unübersehbar aber ist, dass Frankreichs Bevölkerung selten so unzufrieden war wie in den vergangenen Monaten. Die Arbeitslosenquote ist bei fast zehn Prozent angelangt, die weiterhin heftig umstrittene, gesetzlich verankerte 35-StundenWoche verbietet Überstunden und zwingt die Erwerbstätigen zum Nichtstun, die Kaufkraft sinkt kontinuierlich seit über einem Jahr. Gleichzeitig explodieren vor allem in den Großstädten die Mieten und die Preise in den Supermärkten.

Im Mittelpunkt der Forderungen steht bei allen, die in diesen Tagen auf die Straße gehen, die Erhöhung ihrer Gehälter um fünf Prozent. In Rage sind vor allem die Beamten, die seit dem Jahr 2000 wegen der Inflation fünf Prozent ihres Realeinkommens verloren haben.

Dem ohnehin geschwächten Regierungschef Jean-Pierre Raffarin stehen schwierige Monate bevor, vor allem, weil in diesem Jahr einschneidende Reformen geplant sind, darunter die weitere Privatisierung staatlicher Unternehmen und die Streichung von 7200 Stellen im Beamtenapparat. Wenig gefallen dürfte Raffarin auch die Tatsache, dass 65 Prozent der Franzosen die Streikwelle unterstützen – trotz Warteschlangen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser, Staus auf den Straßen und Problemen bei der Unterbringung der Kinder – fast die Hälfte der Schulen sind geschlossen.

Sabine Heimgärtner[Paris]

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