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Politik: Kindersoldaten: Christina Rau, Schirmherrin von Unicef und Ehefrau des Bundespräsidenten, über ihre Reise in das Bürgerkriegsland und die Möglichkeiten, Kindersoldaten zu helfen

Christina Rau (44) ist mit Bundespräsident Johannes Rau verheiratet. Die Mutter von drei Kindern engagiert sich neben ihrem Amt für das Unicef-Kinderhilfswerk auch für ein Internat mit ganzheitlichem Erziehungsansatz.

Christina Rau (44) ist mit Bundespräsident Johannes Rau verheiratet. Die Mutter von drei Kindern engagiert sich neben ihrem Amt für das Unicef-Kinderhilfswerk auch für ein Internat mit ganzheitlichem Erziehungsansatz. Sie ist eine Enkelin Gustav Heinemanns, der von 1969-1974 Bundespräsident war.

Frau Rau, mit Ihrem Ehrenamt als Schirmherrin des Weltkinderhilfswerks Unicef stehen Sie ganz in der Tradition der Frauen der Bundespräsidenten. Sie haben sich aber dabei einen besonderen Schwerpunkt gewählt, das Problem der Kindersoldaten. Warum?

Weil es mir - vielleicht auch durch mein Studium der Politikwissenschaft - besonders am Herzen liegt. Unicef widmet sich ja ganz besonders der Bildung und Ausbildung von Kindern und unterstützt Schulprojekte in den ärmeren Gegenden der Welt. Die Mitarbeiter der Organisation sehen aber auch, wo besondere Not herrscht und wo man sich mit speziellen Projekten engagieren muss. Die Kindersoldaten - es gibt weltweit mehr als 300 000 - sind zu einem solchen Schwerpunkt geworden. Ich konnte mir vorstellen, mich bei dieser Problematik zu engagieren, um Bewusstsein zu wecken und auch Verständnis.

Sie waren in Sierra Leone. Haben Sie dort zum ersten Mal als Soldaten missbrauchte Kinder gesehen?

Ja, es war das erste Mal. Aber ich wusste natürlich, dass es seit einigen Jahren Bemühungen gibt, die Kinderrechtskonvention der UN zu ergänzen und die Altersgrenze für Kindersoldaten höher als bislang anzusetzen, so wie es die UN-Generalversammlung jetzt beschlossen hat. Leider fand das Thema aber bisher zu wenig Beachtung. Nur, wenn es zu einer wirklichen Krise kommt, hat man die Möglichkeit, dazu nicht nur etwas zu sagen, sondern auch die Hoffnung, gehört zu werden. Und was in Sierra Leone geschieht, ist wirklich erschütternd. Seit acht Jahren herrscht dort Bürgerkrieg und 5000 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und achtzehn Jahren stehen unter Waffen, meistens nicht freiwillig.

Wie haben Sie diese Kinder empfunden, die Ihnen da in Flüchtlingslagern begegnet sind?

Die Rebellen haben nach dem Friedensabkommen im Januar 1999 angefangen, einige dieser Kindersoldaten freizulassen, die dann von Hilfsorganisationen aufgefangen wurden. Unicef leitet federführend solche Projekte. Die Kinder kommen zuerst in ein Camp. Dort versucht man, dass sie erst einmal etwas zur Ruhe kommen. Dann bemüht man sich, ihre Familien zu finden. Dann muss man prüfen: Kann man sie wieder in ihre Familien integrieren, gibt es Möglichkeiten, ihnen handwerkliche Fähigkeiten beizubringen, die ihnen ein Leben in der zivilen Gesellschaft ermöglichen? Und vor allem muss man alles versuchen, wieder moralische Werte bei diesen Kindern aufzubauen, denn die sind ja kaum noch vorhanden.

Diese Kindern haben als neun- oder zehnjährige gemordet, gefoltert und sind marodierend herumgezogen. Gibt es überhaupt eine reale Chance, sie zu heilen, ihre Psyche wieder in einen stabilen Zustand zu versetzen?

Man muss es jedenfalls versuchen. Als Kindersoldaten haben sie ihr eigenes Selbstwertgefühl durch Grausamkeiten, durch die Macht über andere gewonnen. Sie haben sich durch Brutalität Respekt verschafft. Jetzt muss man ihnen andere Wege aufzeigen, um Anerkennung zu finden.

Diese Kinder haben ihre Autorität nur aus der Gewalt gewonnen. Was sagt man ihnen, was an die Stelle von Gewalt treten kann?

Man versucht, ihnen das zivile Leben zu erklären. Die militärischen Strukturen werden auch in den Camps beibehalten. Die Jugendlichen wählen sich einen Anführer und die Älteren von ihnen sind besonders für die Jüngeren verantwortlich. Man muss zeigen,dass statt der Grausamkeit nun die Fürsorge Halt und Stabilität gibt.

Diese Kinder sind ja nicht nur von den Rebellen als Soldaten missbraucht worden, sondern auch von der Regierungsarmee. Haben wir als Europäer, hat die EU, hat die UN irgendwelche Möglichkeiten, die Regierung von Sierra Leone in der Richtung zu beeinflussen, dass sie auf die Rekrutierung von Kindern verzichtet?

In dem Gespräch, das ich mit dem Außenminister geführt habe, war für mich eine freudige Nachricht, dass er von sich aus zusagte, keine Kinder unter 18 Jahren mehr zu rekrutieren. Das ist ein wichtiger Schritt, der bestimmt deshalb zustande gekommen ist, weil die internationale Welt jetzt auf Sierra Leone und die Kindersoldaten geblickt hat.

Sie haben selber drei Kinder und wissen, wie Kinder reagieren. Wie haben Sie diese Kinder in den afrikanischen Lagern empfunden? Was haben sie für einen Eindruck gemacht?

Den von Kindern. Kindern, die einen besonders ernsthaft und erwartungsvoll anblickten. Im Gespräch waren sie aber anders, als es eine Gruppe gewesen wäre, die diese Erlebnisse nicht hatte. Sie waren deutlich distanzierter als andere Kinder, denen ich begegnet bin.

Wird es eine Nachbereitung Ihres Besuchs in Sierra Leone geben?

Ja, wichtig ist vor allem, dass ich mich in Sierra Leone von der Wirksamkeit der Projekte überzeugen konnte und dass ich sah, dass gespendetes Geld vernünftig eingesetzt wird. Darüber kann ich hier in Deutschland authentisch berichten und vielleicht weitere Hilfen auslösen. Und ich kann mit dazu beitragen, dass wir begreifen, dass wir als reiche Nationen eigentlich eine Verpflichtung zur Hilfe haben. Nun ist der Krieg wieder ausgebrochen. Aber während ich in Sierra Leone war, spürte ich die Bereitschaft der ganzen Bevölkerung zur Versöhnung. Die Menschen sind müde von diesem endlosen Krieg. Sie wollen Frieden. Und da ist die internationale Gemeinschaft gefordert, in Afrika, in Sierra Leone zu helfen, damit die Strukturen für einen dauerhaften Frieden gelegt werden, dass es eine funktionierende Verwaltung und Wirtschaft gibt. Wenn man um die Diamanten keinen Bürgerkrieg führt, dann könnte dieses Land ohne Hunger und Not sein.

Nun wissen wir ja alle, dass bei der Lösung internationaler Probleme Netzwerke helfen. Sie sind als Frau des Bundespräsidenten eine Einzelperson, gibt es da ein Netzwerk mit den Ehefrauen anderer Staatsoberhäupter?

Nicht mit den Ehefrauen von anderen Staatsoberhäuptern. Es gab aber jetzt in Bonn eine große Konferenz, wo man sich über die Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen in Afrika beraten hat.

Eine Frage zum Schluss. Diese Kinder sind Erwachsenen gegenüber zu einer unglaublichen Brutalität gezwungen worden. Wie reagieren sie anderen Kindern gegenüber?

Sie setzen sich, wenn sie Bedürfnisse haben, noch oft mit Gewalt auseinander. Und das ist der Kern. Da müssen die Betreuer ansetzen, zeigen, dass man Auseinandersetzungen anders bewältigen kann. Das muss man vorleben, da muss man Gespräche führen, aber auch das ist ein langwieriger Prozess, der viel Geduld und Unterstützung benötigt.

Frau Rau[mit Ihrem Ehrenamt als Schirmherrin des]

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