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Für die jüdische Gemeinde in Pinneberg war es keine Frage, einem muslimischen Flüchtling aus dem Sudan Asyl zu gewähren.

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"Kirchenasyl" in der Synagoge: Juden bieten Muslim Asyl

In Israel haben sich Juden und Muslime in den vergangenen Wochen bitter bekämpft. Dass auch ein friedliches Miteinander möglich ist, zeigt die jüdische Gemeinde in Pinneberg. Sie bietet einem muslimischen Flüchtling "Kirchenasyl" - ein bisher einmaliger Fall in Deutschland.

Ashraf O. ist der Erste. Der erste muslimische Flüchtling, der in einer der 110 jüdischen Gemeinden in Deutschland Zuflucht gefunden hat. Seit dem 26. Juni bietet die jüdische Gemeinde Pinneberg dem Flüchtling aus dem Sudan Asyl – ein bundesweit bisher einzigartiger Fall.

Für Gemeindevorsteher Wolfgang Seibert ist das eine Selbstverständlichkeit. Er findet es eher ungewöhnlich, dass sein eigenes Vorpreschen ein Novum darstellt. Der 66-Jährige geht davon aus, dass in Zukunft auch andere jüdische Gemeinden Flüchtlingen mit unsicherem Rechtsstatus Schutz bieten werden. Derzeit erreichen ihn viele Anfragen. Die Neugier ist groß, was das für ein „Kirchenasyl“ ist, für das die jüdische Gemeinde noch kein eigenes Wort hat. Seibert und sein Vorstand waren gleich einig, als eine Flüchtlingsunterstützergruppe in Niedersachsen anfragte, ob die Gemeinde Ashraf O. unterbringen könnte, weil diesem die Abschiebung nach Ungarn drohte: „Es spielt für uns überhaupt keine Rolle, ob Muslim, Christ oder sonst wer, dem geholfen werden musste.“ Schließlich hätten gerade Juden historisch gesehen immer Fluchterfahrungen machen müssen.

Aus einem Gefängnis im Sudan nach Niedersachsen

Anfangs hat der Afrikaner in Pinneberg noch offen über seine Flucht-Odyssee gesprochen; doch jedes Mal schießen dem traumatisierten 34-Jährigen Tränen ins Gesicht. Nach seinen Schilderungen wurde er im Sudan als Oppositioneller inhaftiert. Dann gelang ihm vor sechs Jahren die Flucht aus dem Gefängnis. Über mehrere andere Staaten und ohne Papiere landete er schließlich in einem heruntergekommenen Flüchtlingslager in Ungarn. Dort musste er nach eigenen Angaben einen Asylantrag stellen, wurde verprügelt und wollte vom ersten Tag an nur wieder weg. Der weitere Fluchtweg führte ihn dann nach Niedersachsen.

Gemäß der europäischen sogenannten Dublin-III-Richtlinie, die ein Asylverfahren im zuerst betretenen Antragsland vorsieht, bekam Ashraf O. von der Ausländerbehörde in Winsen an der Luhe nur eine kurzzeitige, befristete Duldung. Als die abgelaufen war, drohte die zwangsweise Rückführung nach Ungarn. Sein Hamburger Anwalt sieht große Gefahren für ihn, sollte er dort im Asylverfahren in den Sudan ausgewiesen werden. Ashraf O. hat sich daher entschieden, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen. Dafür muss er ein halbes Jahr Aufenthalt nachweisen. Das wäre Ende September der Fall.

Ein Klappbett, und wenig Kontakt

So lange schläft er noch auf einem unkomfortablen Klappbett, betet in ungewohnter Umgebung, schaut Fernsehen, versucht dabei, die deutsche Sprache zu lernen, telefoniert mit Freunden und hält Kontakt zu Angehörigen. Die Tage scheinen unendlich, Seibert sieht Ashraf O. Frust und Verzweiflung an, zumal er das Grundstück der jüdischen Gemeinde nicht verlässt. „Das wäre ohne Aufenthaltsstatus zu gefährlich“, sagt er.

Nach Angaben der Nordkirche gibt es deutschlandweit derzeit mehr als 120 Kirchenasyle mit ungefähr 210 Flüchtlingen.

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