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Das Wetter schön, die Laune heiter - so soll's sein.

© dpa

Kirchentag in Stuttgart: Anderes Abendland

Auf dem Kirchentag treffen und feiern sich die Engagierten dieser Gesellschaft. Auch in Abgrenzung zu einer bestimmten anderen Gruppe. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Claudia Keller

Beim Kirchentag in Stuttgart traf sich das Anti-Pegida-Deutschland. Es kamen nicht die Wutbürger, nicht die Empörten, die das politische System in Bausch und Bogen verdammen. Auf den Kirchentagen feiern sich die vielen Tausend Engagierter und Kümmerer, diejenigen, die sich auf die Demokratie und auf die Politik einlassen und akzeptieren, dass es auch mal nicht rund läuft.

Es geht um um Selbstvergewisserung

Sie mischen sich ein, statt sich beleidigt abzuwenden wie die Pegida-Anhänger. Sie sind wichtig für die Gesellschaft, weil sie vielfach dort helfen, wo staatliche Unterstützung nicht hinreicht und auch nicht hinreichen sollte.
Bei den Kirchentagen geht es aber zunehmend um Selbstvergewisserung, nicht um kontroverse Debatten. Vier Tage wollen sich die Engagierten als Gemeinschaft erleben und sich bestätigen in dem, was sie tun und denken. Das war vor 30 Jahren anders. Damals gab es viel Protest auf den Kirchentagen gegen die Politik, gegen die, die die Bibel anders interpretieren und ihr Privatleben anders gestalten. Wer heute 98 Euro für eine Dauerkarte ausgibt, ist auf Konsens aus. Die, die sich nicht riechen können, gehen sich aus dem Weg, statt es auf die Konfrontation anzulegen.

Merkel-Fans gingen zu Merkel

Die Verteilung der Veranstaltungszentren über den Großraum Stuttgart verstärkte diese Tendenz, da die Wege weit waren. Man musste sich vorher entscheiden, wo man mitmachen wollte. Und so gingen Merkel-Fans zu Merkel, Fromme ins Bibelzentrum, Schwule ins Regenbogenzentrum. In anderen Kirchentagsstädten fanden vielen unterschiedliche Veranstaltungen unter einem Dach in Messehallen statt, so dass sich die Neigungsgruppen mehr mischten und austauschten. Das war besser und sollte 2017 beim großen „Christusfest“ in Berlin und Wittenberg auch wieder mehr gefördert werden. Denn Selbstvergewisserung und Selbstbestätigung sind wichtig, weil sie helfen, an etwas festzuhalten, auch wenn Gegenwind bläst. Auf Kirchentagen ist die Selbstvergewisserung auch mit viel Fröhlichkeit und guter Laune verbunden. Doch Selbstvergewisserung hat ihre Grenzen. Sie darf nicht wie bei den Pegida-Anhängern zum Selbstzweck werden. Denn dann wird aus Selbstvergewisserung schnell Selbstgerechtigkeit und aus Stärke Schwäche. So einfach sollten es sich die Christen nicht machen. Denn dann könnte man sie nicht mehr ernst nehmen.

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