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Verfolgt. Eine Usbekin steht in der Stadt Osch vor den Trümmern ihres niedergebrannten Hauses.

© AFP

Kirgistan: Hilferufe nach Moskau

Der Konflikt in Kirgistan gerät außer Kontrolle – die usbekische Minderheit spricht von 700 Toten.

Bei den blutigen Unruhen im Süden der zentralasiatischen Republik Kirgistan sind nach Angaben der usbekischen Minderheit angeblich 700 Menschen getötet worden. Das meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax. Diese Zahlen bezögen sich allein auf Dschalal Abad und nicht auf das Zentrum der Unruhen in Osch. Eine offizielle Bestätigung gab es nicht. Das Rote Kreuz hatte zuvor berichtet, dass viele Leichen ohne vorherige Identifizierung begraben würden.

Auch kirgisische Funktionäre berichteten, dass bei den Brandschatzungen viele Menschen in ihren Häusern verbrannt seien. In offiziellen Angaben war von etwa 140 Toten die Rede. Nach Angaben unabhängiger Beobachter waren viele Usbeken „regelrecht abgeschlachtet“ und hinterrücks erschossen worden.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew sagte, die „derzeitige Situation in Kirgistan“ sei „untragbar“. „Menschen sterben, es fließt immer noch Blut, massive Gewalt wird durch Volkszugehörigkeit begründet“, erklärte Medwedew . Die Unruhen seien für die „Region extrem gefährlich“. Deshalb sei es „notwendig, alles Mögliche zu tun“, damit „solche Handlungen“ aufhörten. US-Außenministerin Hillary Clinton forderte eine „internationale Antwort“ auf die Krise. In New York wurde der UN-Sicherheitsrat zu Beratungen über den Konflikt zusammengerufen.

Wegen der Unruhen bahnt sich in der Region eine Flüchtlingskatastrophe an. Zehntausende Angehörige der usbekischstämmigen Minderheit flüchteten vor der Verfolgung durch kirgisische Banden in das benachbarte Usbekistan. Das usbekische Katastrophenschutzministerium gab die Zahl der Flüchtlinge in der Region Andidschan im Osten des Landes mit mindestens 60 000 an. Angesichts des Ansturms kündigte die usbekische Regierung an, die Grenze zu schließen. Vize-Ministerpräsident Abdullah Aripow gab beim Besuch eines Flüchtlingslagers nahe der kirgisischen Grenze die Zahl der registrierten Flüchtlinge mit 45 000 an, das Rote Kreuz sprach von 80 000 Flüchtlingen, von denen 15 000 an der Grenze aufgehalten würden. Ein AFP-Journalist berichtete, dass Hubschrauber des usbekischen Militärs ständig die Grenze abflogen.

Ethnische Usbeken aus Kirgistan, die in Moskau als Gastarbeiter jobben, forderten am Montag vor dem Außenministerium ein sofortiges Eingreifen Russlands. Rosa Otunbajewa, die Chefin der kirgisischen Interimsregierung, die nach den Unruhen Anfang April Staatschef Kurmanbek Bakijew zum Rücktritt zwang, bat den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew offiziell um Hilfe.

Die Bitte ging auch an die Organisation für kollektive Sicherheit, das Verteidigungsbündnis der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS, das in Moskau zu einer außerordentlichen Tagung zusammentrat eine militärische Intervention in dem zentralasiatischen Land nicht ausschloss. Dem Gremium gehören Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan, Usbekistan und Weißrussland an. Der Bündnisfall tritt laut Satzung nicht nur bei externer Bedrohung, sondern auch bei inneren Unruhen ein.

Nikolai Patruschew, einst Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und jetzt Koordinator des Bündnisses, sagte, man werde beim Konfliktmanagement das „gesamte Arsenal der verfügbaren Mittel ausschöpfen“. So könnte die kollektive schnelle Eingreiftruppe, deren Gründung das GUS-Bündnis Anfang 2009 beschloss, um Terror und Drogen zu bekämpfen, eingesetzt werden.

Wichtige Entscheidungen treffen aber die Staatschefs selbst. Der sicherheitspolitische Berater von Kasachenpräsident Nursultan Nasarbajew, Jermuhamed Jertysbajew, sagte jedoch, die Kirgisen seien „einfach verpflichtet, mit dieser schwierigen Situation aus eigenen Kräften“ fertig zu werden. mit dpa, AFP

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