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Politik: Klinikärzte: 15 000 neue Stellen gefordert

Der Klinikärzteverband Marburger Bund hat das geltende System der Bereitschaftsdienste als "illegal" kritisiert und umgehend Verhandlungen über bessere Arbeitszeiten verlangt. Diese Forderung werde von einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gestützt, hieß es in einem am Sonntag von der Hauptversammlung in Ludwigshafen einstimmig verabschiedeten Beschluss.

Der Klinikärzteverband Marburger Bund hat das geltende System der Bereitschaftsdienste als "illegal" kritisiert und umgehend Verhandlungen über bessere Arbeitszeiten verlangt. Diese Forderung werde von einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gestützt, hieß es in einem am Sonntag von der Hauptversammlung in Ludwigshafen einstimmig verabschiedeten Beschluss. Der Vorsitzende Frank Ulrich Montgomery forderte außerdem Neueinstellungen: "Wir brauchen etwa 15 000 neue Ärzte und das Geld, um das zu finanzieren." Die Kosten werden auf zwei Milliarden Mark geschätzt.

In dem Urteil der Luxemburger Richter vom Oktober wird die Bereitschaftszeit in Kliniken als Arbeitszeit und nicht - wie in Deutschland - als Ruhezeit gewertet. Nach einem Beschluss des Arbeitsgerichtes Gotha vom 3. April gilt dieser Spruch des Europäischen Gerichtshofes auch für Deutschland. Ein Arzt dürfe deshalb künftig nach der Arbeit nicht mehr zum Bereitschaftsdienst herangezogen werden oder nach der Bereitschaft nicht mehr zur Arbeit. Ärzte der Städtischen Kliniken Kiel wollen nun mit Unterstützung des Marburger Bundes ihren Arbeitgeber verklagen und damit erzwingen, dass ihr Bereitschaftsdienst als Arbeit anerkannt wird. Montgomery erhofft sich von dem Prozess eine Signalwirkung. Er kündigte weitere Klagen für den Fall an, dass die Arbeitgeber nicht einlenken sollten.

Montgomery forderte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) auf, sich für die Umsetzung des Luxemburger Urteils einzusetzen. Die Belastung in den Kliniken sei "unerträglich". "Die Mehrheit der Ärzte - vor allem die, die die Kärrnerarbeit in den Kliniken machen - will die Umsetzung." Zudem müsse der daraus resultierende Mehrbedarf an Ärzten bei der Novellierung der Krankenhausfinanzierung berücksichtigt werden. Die für 2003 geplante Einführung der neuen Finanzierung nach Fallpauschalen solle unter anderem deshalb zwei Jahre länger erprobt werden.

Der Marburger Bund vertritt nach eigenen Angaben 70 000 von insgesamt rund 139 000 angestellten oder verbeamteten Ärzten in Deutschland. Mit der Forderung nach Umsetzung des Luxemburger Urteils wird sich in der kommenden Woche auch der Deutsche Ärztetag - das oberste Beschluss fassende Organ der knapp 370 000 Ärzte in Deutschland - befassen.

Nach Darstellung Montgomerys hat die Arbeitsbelastung in den deutschen Kliniken stellenweise zu einem Ärztemangel geführt. In den vergangenen zehn Jahren seien trotz steigender Patientenzahl zehn Prozent der Kliniken geschlossen und 15 Prozent der Betten gestrichen worden. Die Mehrbelastung werde vor allem von jungen Ärzten getragen, die 80 Prozent ihrer Überstunden weder bezahlt noch in Freizeit vergütet erhielten. Die Ärzte schenkten den Arbeitgebern so zwei Milliarden Mark im Jahr.

Nach Darstellung des Marburger Bundes sieht das deutsche Arbeitszeitgesetz vor, dass nach einem achtstündigen Arbeitstag noch 16 Stunden Bereitschaftsdienst möglich sind, weil die Bereitschaft als Ruhezeit gewertet wird. Fielen während der Bereitschaft fünf oder mehr Arbeitsstunden an, dürfe am kommenden Tag nicht weitergearbeitet werden. Normalerweise werde jedoch nach der Bereitschaft weitergearbeitet, so dass eine Arbeitszeit von insgesamt 32 Stunden am Stück zusammen komme.

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