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Koalition: Schwarz-gelber Winterfrieden

Nach dem Spitzentreffen im Kanzleramt beschwören die Parteichefs Eintracht – die wird nicht lange halten.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Berlin - Guido Westerwelle hat vorne gesessen – und wer vorne sitzt, der zahlt. Es war kein Taxi, sondern eine schwarze Regierungslimousine, die die drei Parteichefs der Koalition am Sonntagabend vom Kanzleramt zum Edelrestaurant „Borchardt“ chauffierte. Aber im übertragenen Sinne gibt die Sitzordnung – Angela Merkel und Horst Seehofer hinten im Fond, Westerwelle neben dem Fahrer – ganz gut Konstellation und Ausgang des vorangegangenen Krisengesprächs wieder. Die Kanzlerin dürfte zufrieden sein. Denn im Ergebnis geht das Treffen auf Kosten der zwei Steuersenkungseiferer, besonders des einen.

Natürlich sagt das keiner der Beteiligten. Die Dreierrunde war schließlich einberufen worden, um den Eindruck einer schon vor Ablauf der ersten 100 Tage heillos zerstrittenen Koalition zu bereinigen. Das Trio mag nicht von Krisentreffen sprechen – „Von Krise war zu keiner Sekunde auch nur eine Spur“, versichert anderntags CSU-Chef Seehofer. Aber ein „Kommunikationsproblem“ habe es schon gegeben. Das kann man sagen. Seit Wochen streiten sich die Koalitionäre wie Kesselflicker über ihre Großprojekte von der Gesundheits- bis zur Steuerreform. „Da ist jede Partei dabei gewesen“, räumt Seehofer reuig ein. Damit soll jetzt Schluss sein. Dem Treffen sollen überdies weitere folgen, im Regelfall einmal monatlich, um das zu garantieren, was der CSU-Chef als „christlich-liberalen Gemeinschaftsgeist“ preist.

Das Problem dabei ist, dass das Problem nicht bloß schlechte Außendarstellung war. Es geht um harte Differenzen in der Sache. Die CDU hat nichts gegen Steuersenkung, aber nicht um jeden Preis. Für die FDP hängt die ganze Glaubwürdigkeit des Wahlkampfs an diesem einen Punkt. Auch die CSU hat immer auf rasche Steuerentlastung gepocht. Doch als Seehofer auf seine Forderung nach dem Steuerreformdatum 2011 angesprochen wird, produziert der Bayer nur ein arg verlegen gedehntes „Das ... eh ... ist ... eh ... jetzt keine Frage ...“.

Tatsächlich kommt die Jahreszahl in dem Kommuniqué nicht ausdrücklich vor, auf das sich die drei im Steuerstreit verständigt haben. Das ist kein Zufall. Die Friedenserklärung, die Westerwelle am Montagmorgen runterrasselt und Seehofer zur Beglaubigung von seinem handschriftlichen Notizzettel vorliest, ist, so beschreibt es der Christsoziale, in den drei Stunden Arbeitssitzung im Kanzleramt „Wort für Wort formuliert“ worden.

Darin bekennen sich die drei zu einer Steuerstrukturreform gemäß dem Koalitionsvertrag. Sie halten fest, dass von den 24 dafür veranschlagten Milliarden Euro 4,6 Milliarden schon für die Familienleistungen im „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ verausgabt sind. Und: Die Einzelheiten sollen erst „nach der Aktualisierung der Wirtschafts-, der Wachstums- und der Steuerschätzungsdaten“ festgelegt werden. Dazu kommt ein Bekenntnis zur Schuldenbremse und zu der geplanten Anhebung der Bildungsausgaben auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Alles eigentlich Selbstverständlichkeiten, alles eigentlich längst beschlossen. Genau deshalb fällt alles auf, was da nicht bekräftigt wird. Es sind zwei zentrale Forderungen der Liberalen. Weder wird erneut festgezurrt, dass die Gesamtentlastung die 24 Milliarden Euro erreichen soll – noch fällt das Wort „Stufentarif“. Was das bedeutet? Seehofer winkt ab. „Die drei Sätze gelten“, sagt er. „Ich geh’ darüber nicht hinaus.“ Westerwelle sagt auch nichts, weil er nach einem Kurzauftritt sofort verschwindet.

Auch Merkel sagt nichts über den Beschluss hinaus. Warum auch? Das Kommuniqué bekräftigt alle Wenns und Abers, die die sparsame Hausfrau aus Mecklenburg gegen rasche und teure Steuersenkungen einwendet. Bei der FDP scheinen sie schon zu merken, dass die Absprache auf ihre Kosten gehen kann. Der Finanzminister, drängelt FDP-Generalsekretär Christian Lindner nach einer Präsidiumssitzung, müsse sofort mit den Vorarbeiten für die Steuerreform beginnen! Die FDP werde zum Parteitag im April ein eigenes Konzept erarbeiten. Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble können es gelassen abwarten. Ihre Stunde kommt im Mai.

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