zum Hauptinhalt

Kofferbomber: Prozess gegen einen Verurteilten

Im Libanon wartet das Gefängnis auf Hajdib, in Düsseldorf steht der Richterspruch noch aus.

Von Frank Jansen

Im Hochsicherheitsbau des Düsseldorfer Oberlandesgerichts wirkt der junge Mann mit dem Vollbart, den langen schwarzen Haaren und dem hellen Kapuzenshirt wie ein harmloser Student. Doch die Anklagepunkte, die Bundesanwalt Horst Salzmann am Dienstagvormittag gegen ihn vorträgt, sind schwergewichtig. Der Kern: Gemeinsam mit dem am gleichen Tag in Beirut verurteilten Dschihad Hamad habe Jussef Hajdib versucht, „eine Vielzahl von Menschen aus niedrigen Beweggründen heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln zu töten“. Das Motiv war laut Salzmann die von Hajdib und Hamad beabsichtigte „Vergeltung für die Veröffentlichung der sogenannten Mohammed-Karikaturen“.

Auf den Vorwurf der Bildung oder Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung hatte Generalbundesanwältin Monika Harms verzichtet. Als „Kofferbomber“ gelten nur Hajdib und Hamad, nach deutschem Strafrecht gibt es eine Terrorgruppe aber erst ab drei Personen. Dennoch ist der Vorwurf nicht ad acta gelegt: Der 6. Strafsenat unter Vorsitz von Richter Ottmar Breidling hatte im Eröffnungsbeschluss zum Prozess den rechtlichen Hinweis erteilt, die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung könnte auch als Tatbestand infrage kommen. Breidling erwähnte am Dienstag als möglichen dritten Tatverdächtigen in diesem Fall Hajdibs in Schweden lebenden Bruder Khaled Ibrahim.

Das Urteil von Beirut, mit dem Hajdib am gleichen Tag zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden ist, spielt in dem Düsseldorfer Verfahren keine Rolle. Gleichwohl legt Richter Breidling dem Angeklagten und seinen Verteidigern „aus Fürsorgegründen ernsthaft ans Herz“, frühzeitig über ein Geständnis nachzudenken, „wenn es etwas zu gestehen gibt“. Daraufhin beraten die Anwälte mit dem Libanesen. Doch der 23-Jährige, der in Deutschland studiert hat, verliest dann auf arabisch nur eine lange Erklärung, in der er seinen Lebensweg und seine Familie vorstellt, vor allem seine neun Brüder und die drei Schwestern. Hajdib schildert eine unbeschwerte Jugend als jüngstes Familienmitglied, äußert sich aber nicht zu den Tatvorwürfen.

Doch selbst seine Verteidiger hatten schon vor Prozessbeginn zugegeben, dass Hajdib auf dem Kölner Hauptbahnhof einen Trolley mit Sprengsatz in einen Regionalzug gebracht hatte. Die Anwälte betonten jedoch, die Kofferbombe sei absichtlich so konstruiert gewesen, dass sie nicht explodieren konnte. Bundesanwalt Salzmann widersprach: Es sei nicht davon auszugehen, „dass die Taten nur einen symbolischen Charakter haben sollten“. Die Täter waren durch Überwachungskameras identifiziert worden.

Am 31. Juli hatten Hajdib und Hamad je eine Kofferbombe in den Regionalzügen Aachen–Dortmund und Mönchengladbach–Koblenz deponiert. Die Sprengsätze aus je einer Druckgasflasche mit elf Kilo Füllgewicht, Brandbeschleunigern und je einem Zeitzünder sollten beide um 14.30 Uhr explodieren. Die Zündung wurde auch ausgelöst, doch die Detonation blieb aus – „aufgrund fehlenden Sauerstoffs als Oxidationsmittel“, wie es in der Anklageschrift heißt. Die Libanesen hatten die Sprengsätze nach Bombenbauanleitungen aus dem Internet gebastelt.

Auch manch seltsame Auskunft erhält Richter Breidling auf seine Fragen an Hajdib, etwa auf die, wie dieser den 11. September erlebt habe. Als das damals passiert sei, sagt der Angeklagte, „habe ich mich gar nicht dafür interessiert. Zwei Wochen später war es mir gänzlich entfallen.“ Der Richter: „Ich bin ganz verblüfft, wenn ich so etwas höre.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false