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Bundeswehrsoldat auf Patrouille im malischen Gao

© Markus Heinen/imago

Bundeswehr unterbricht Mali-Einsatz: Kommt jetzt der Abzug aus Westafrika?

Der UN-Einsatz in Mali stand für die Truppe schon mehrfach vor dem Aus. Nun könnte es ernst werden, glauben Fachleute.

Exakt ein Jahr nach dem Abzug der USA aus Afghanistan wird nun die aktuell heikelste Bundeswehrmission im Ausland unterbrochen: die Teilnahme an der UN-Mission Minusma im westafrikansichen Mali. Was heißt das für die Mission, die Region – und für die deutsche Politik?

Denis Tull, Westafrika- und Sicherheitsexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, die auch Bundestag und Bundesregierung berät, sieht in der Entscheidung von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) vorerst „ein scharfes und vielleicht letztes Signal an die Regierung in Bamako“.

Man dränge sie damit, „die Karten nun wirklich auf den Tisch zu legen“, ob Mali die Mission nun wolle oder nicht. Nicht nur die Bundeswehr sei ja gegängelt und drangsaliert worden mit dem Verbot von Überflügen oder von Truppenwechseln, „sondern die Mission insgesamt“.

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Tull, der für die SWP über die Sahelzone, Konflikte und Sicherheit in der Region forscht, äußert allerdings auch Verständnis für die Militärjunta, die zwischen innenpolitischen Interessen – im nächsten Jahr, so hat sie versprochen, werden reguläre Wahlen und eine Machtübergabe stattfinden geben –, den westlichen Geldgebern und Russland laviert.

Einem Rückzug Deutschlands könnten andere folgen

Malis Regierung habe „kein Interesse an einem Ende der Mission, aber sie wollen sie eben à la carte, nach eigenem Gutdünken und von Fall zu Fall“. Und sie wollten „Herren im eigenen Land sein und diese Souveränität nach innen und außen auch abbilden. „Sie sind in keiner einfachen Lage.“ Was die Dinge aber auch für die UN-Mission schwierig mache .

Hintergrund sind nach Ansicht des Fachmanns zehn Jahre Intervention in Mali unter Führung Frankreichs, „die wenig erfolgreich war und in Bamako immer mehr als Bevormundung wahrgenommen wurde. Das hat ziemlich viel verbrannte Erde und Ressentiments hinterlassen.“

Dass Mali, wie ab und zu vermutet wird, in der Hand der Russen sei und sich entsprechend gegen westliche Staaten verhalte, sieht Tull nicht. In Mali wisse „man schon, dass Russland zum Beispiel nicht den Ausfall von westlicher Hilfe und Geld kompensieren könnte“.

Was aus der Entscheidung in Berlin an diesem Freitag folgt? Tull sieht mehrere Möglichkeiten: „Mittelfristig wäre es auch vorstellbar, dass es zu einem Abzug aller militärischen Komponenten der Mission kommt, aber Minusma in eine rein politische Mission überführt wird.“

Aber auch der völlig Abzug sei denkbar: „Wenn Überflugrechte, Personalrotationen und Bewegungsfreiheit der Kontingente wie zuletzt eingeschränkt werden, dann haben die Blauhelme ein doppeltes Problem: Sie können ihre Mandatsaufgaben nicht vollständig umsetzen, und möglicherweise verschärft dies auch die Gefährdungslage, etwa in medizinischen Notfällen“, sagt Tull.

Falls Deutschland abzieht, könnten dem auch andere Truppensteller aus Europa und Afrika folgen, einmal weil auch sie das Signal aus Bamako so lesen könnten, dass sie nicht willkommen seien. Aber auch wichtige Fähigkeiten der Mission gingen mit den Deutschen teils verloren, „zum Beispiel die Aufklärung für das Lagebild, die die Bundeswehr mithilfe von Drohnen bereitstellt“.

„Ein kapitaler, womöglich nicht wieder gut zu machender Fehler“ ist die Unterbrechung oder vorläufige Einstellung des Bundeswehreinsatzes aus Sicht von Olaf Bernau, der als einer der besten deutschen Mali-Kenner gilt. Wie SWP-Forscher Tull sieht auch er das Vorgehen der malischen Regierung gegen Minusma als „nicht zuletzt eine Reaktion auf das langjährige selbstherrliche Agieren Frankreichs“, sagte er dem Tagesspiegel.

Bernau ist seit mehr als einem Jahrzehnt jedes Jahr mehrere Wochen in der Region unterwegs und hat im März sein Buch „Brennpunkt Westafrika“ über Fluchtursachen und Handlungsoptionen europäischer Politik veröffentlicht. Er rät der Bundesregierung, „sich ehrlich zu machen“ und die Konsequenzen daraus zu ziehen.

Das könnte ein Neuanfang der Beziehungen zum Land sein, „der die Interessen Malis wirklich ernst nimmt – ob im ökonomischen, im migrationspolitischen oder im sicherheitspolitischen Bereich“.

„Keine antiwestliche Stimmung, aber empfindlich gegen westliche Bevormundung"

Es sei „fatal“, sagt Bernau, wenn Politiker:innen des Regierungslagers die Fortsetzung von Minusma vor allem im europäischen Interesse fordern. Das vergrößere in Mali nur die Skepsis gegenüber Minusma „als Ausdruck westlicher Interessenpolitik im Sahel“. Dabei könne die Mission auf etliche handfeste Erfolge verweisen, „ nicht zuletzt den Schutz der Zivilbevölkerung gegen Terrorangriffe und die Unterstützung beim Zustandekommen lokaler Friedensverträge“.

Der Bundesregierung rät Bernau dazu, „ ihr weiterhin gutes Image in Mali zu nutzen“ und großzügig an den vielen Problemen der Sahelzone anzusetzen, etwa dass die ländliche Bevölkerung bis heute in bitterer Armut lebe und von schlechter Regierungsführung durch lokale Eliten massiv in Mitleidenschaft gezogen sei.

Dazu müsse man „über die üblichen Rituale von kleinteiliger Entwicklungszusammenarbeit hinaus“ arbeiten, auch in Sachen Klimawandel. Und dies nicht gegen, sondern mit der Regierung, die im Land durchaus Rückhalt habe, „und unter Berücksichtigung dessen, was die einfachen Leute wollen“. Es gebe nämlich „keine grundsätzlich antiwestliche Stimmung dort, „aber eine hohe Sensibilität gegenüber westlicher Bevormundung und Dominanz“.

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