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Politik: Kommunalwahl in Niedersachsen: Wenig Interesse an der Wahl

Es war die geringste Wahlbeteiligung in Niedersachsen, seit das Land besteht: Nur etwa die Hälfte der 6,34 Millionen Bürger wollte am Sonntag mitbestimmen, wer künftig in den Kommunaparlamenten sitzt und in insgesamt 218 Städten und Gemeinden als Bürgermeister regiert. Vor fünf Jahren hatte die Wahlbeteiligung bei 64,5 Prozent gelegen.

Es war die geringste Wahlbeteiligung in Niedersachsen, seit das Land besteht: Nur etwa die Hälfte der 6,34 Millionen Bürger wollte am Sonntag mitbestimmen, wer künftig in den Kommunaparlamenten sitzt und in insgesamt 218 Städten und Gemeinden als Bürgermeister regiert. Vor fünf Jahren hatte die Wahlbeteiligung bei 64,5 Prozent gelegen. Die Politiker zeigten sich bestürzt, erste Schuldzuweisungen blieben nicht aus. Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) meinte, die Abstinenz vieler Wahlberechtigter sei "ein Phänomen, das uns mit großer Sorge erfüllt". Landtagspräsident Rolf Wernstedt (SPD) sprach von einer Katastrophe. Das Wählen müsse wieder als eine Art Pflicht in der Demokratie verstanden werden. Das schlechte Wetter habe zwar eine Rolle gespielt. "Die Demokratie ist aber keine Schön-Wetter-Staatsform."

CDU-Landeschef Christian Wulff machte einen Glaubwürdigkeitsverlust der Politik durch Affären aus. "Die enttäuschende Wahlbeteiligung dokumentiert den großen Frust der Bürger", sagte Wulff. Zudem hätten die Kommunen immer weniger Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Schuld daran sei die "kommunalfeindliche Politik der SPD-Landesregierung".

Die ersten Ergebnismeldungen sorgten zumindest bei der SPD für Freude. Vor allem, weil die auch überregional mit der größten Spannung erwartete Entscheidung - die Oberbürgermeisterwahl in Hannover - einen Sieg für die SPD brachte. Der seit 29 Jahren regierende OB Herbert Schmalstieg wurde in seinem Amt bestätigt, er erreichte schon in diesem ersten Wahlgang am Sonntag über 50 Prozent der Stimmen. "Ich glaube, dass dieser Wahlsieg ein Gruß nach Berlin und Hannover ist", sagte Schmalstieg.

In der Tat galten die Kommunalwahlen zwischen Nordsee und Harz auch als Stimmungstest für die Landes- und die Bundespolitik. Landespolitisch, weil es der erste Urnengang in der Amtszeit von Gabriel war, dem Nachfolger von Gerhard Schröder als niedersächsischer Regierungschef. Für Oppositionschef Christian Wulff (CDU) ging es darum, den Rang der CDU als führende kommunalpolitische Kraft im Land zu verteidigen. Vor fünf Jahren kam die Union auf insgesamt 41,7 Prozent, die SPD erreichte 38,5 Prozent. Auch für die Bundespolitik dürften die Wahlen in Niedersachsen Bedeutung haben - vor allem die Ergebnisse in den Städten, stehen doch am 23. September in Hamburg und am 21. Oktober in Berlin Wahlen in zwei Stadtstaaten bevor.

In Hannover klappte es für die CDU-Politikerin Rita Pawelski auch im zweiten Anlauf nicht. Sie hatte schon 1996 erfolglos gegen Schmalstieg kandidiert. Mit Pawelski wollte die CDU in Hannover schaffen, was ihr schon mit Petra Roth in Frankfurt am Main gelungen war: Mit einer über die Parteigrenzen hinweg akzeptablen Frau den Sozialdemokraten eine Hochburg zu entreißen. Vor fünf Jahren hatte die Mutter zweier erwachsener Töchter den damals schon dienstältesten OB Deutschlands immerhin in eine Stichwahl gezwungen. Nur in Braunschweig konnten die Christdemokraten am Sonntagabend einen Erfolg in einer der größeren Städte verbuchen. Dort lag der CDU-Kandidat Gert Hoffmann elf Prozentpunkte vor SPD-Mann Gernot Tartsch. Die Stichwahl ist am 23. September.

Andernorts konnte die SPD feiern. In der Region Hannover lag der SPD-Kandidat für das neue Amt des Regionalpräsidenten mit zehn Prozentpunkten vor seinem CDU-Kontrahenten, in Oldenburg betrug der Abstand zugunsten des sozialdemokratischen Herausforderers gar 15 Prozentpunkte. In Lüneburg schaffte der OB-Kandidat der SPD den Sieg im ersten Anlauf.

Für Gabriel, der 1998 ohne vorherige Landtagswahl Ministerpräsident wurde, als Gerhard Schröder ins Kanzleramt ging, bedeuten solche Ergebnisse eine Genugtuung. Schröder hatte seit 1986 die Landespolitik dominiert; seinem gelegentlich etwas aufmüpfigen Nachfolger hatte der Kanzler und SPD-Chef unlängst zu verstehen gegeben, dieser müsse erst noch zeigen, ob er auch Wahlen gewinnen könne. So hatte Gabriel allen Grund, emsig durchs Land zu touren und auch für sich die Werbetrommel zu rühren: Sechzig Wahlkampfauftritte absolvierte der 41-Jährige binnen eines Monats. Laut SPD-Landesgeschäftsführer Heino Wiese legte sich in Niedersachsen in den vergangenen zwei Jahrzehnten "noch nie ein Landesvater bei Kommunalwahlen so ins Zeug".

Bei der Bundestagswahl 1998 und bei der Landtagswahl des gleichen Jahres hatte die SPD die CDU mit einer Differenz von 15 und von 12 Prozentpunkten jeweils weit hinter sich gelassen. Die SPD-Landesvorsitzende, Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, hatte daher zum Wahlziel erklärt, bei dieser Wahl endlich auch kommunalpolitisch stärkste Kraft zu werden.

Für CDU-Landeschef Wulff, der zweimal gegen Schröder unterlegen war, könnte ein Abrutschen der CDU das Ende seiner Karriere einleiten, zumindest aber das bundespolitische Renommee des Merkel-Anhängers und CDU-Vizes beeinträchtigen.

Mehr unter: www.nls.niedersachsen.de, Komm

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