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Politik: Kommunismusforschung: Geplanter Terror

Vor zehn Jahren zerfiel die Sowjetunion. Da mag es auf den ersten Blick überflüssig erscheinen, sich immer noch mit dem Kommunismus zu beschäftigen.

Vor zehn Jahren zerfiel die Sowjetunion. Da mag es auf den ersten Blick überflüssig erscheinen, sich immer noch mit dem Kommunismus zu beschäftigen. Diese Ideologie ist nach der "Urkatastrophe" des Stalinismus offenkundig gescheitert. Manche ziehen daraus den Schluss, eine Analyse ihres historischen Irrwegs erübrige sich. Dieser Auffassung lässt sich entgegenhalten, dass man die Mechanismen des stalinistischen Terrors in den dreißiger Jahren genau untersuchen muss, um seine Funktionsweise besser zu verstehen. Als Voraussetzung, um die Gefahren des Totalitarismus in Zukunft zu vermeiden. Dieser Form von Aufklärung ist das renommierte "Jahrbuch für historische Kommunismusforschung" seit geraumer Zeit verpflichtet.

In dieser Ausgabe verdient ein Beitrag von Barry McLoughlin besondere Aufmerksamkeit. Der Autor vermittelt in seinem Aufsatz über den "Großen Terror in der UdSSR 1937/38" neue Erkenntnisse. Man erhält einen guten Überblick über jüngere russische Publikationen und bisher im Westen nicht berücksichtigte Quellen. Dazu zählen vor allem die so genannten Gedenkbücher, die auf Akten des Geheimdiensts NKWD beruhen und eine Liste von Kurzbiografien der Erschießungsopfer darstellen.

Außerdem wird geschildert, wie der Terror in Schnellgerichten und bei Hinrichtungen konkret ablief. Aus unlängst geöffneten Archiven stammen die abgedruckten Statistiken über die Zahl der Opfer und ihre soziale Herkunft, die der Forschung eine wichtige Grundlage bieten. Dabei werden einige Deutungen westlicher, so genannter "revisionistischer" Historiker korrigiert: Die Ideologie spielte "als eine wesentliche Triebkraft des Vernichtungsrundumschlags" eine zentrale Rolle. Dasselbe gilt für Stalins großrussischen Chauvinismus: Er richtete sich gegen "feindliche Völker" im Sowjetreich, besonders gegen Polen und Deutsche.

Der Terror war wirtschaftlich völlig kontraproduktiv: Gegen jede ökonomische Vernunft wurde jeder zweite Angeklagte zum Tode verurteilt. Schließlich bestätigt sich die Hypothese, dass die Massenerschießungsaktionen zwischen 1937 und 1938 mit fast 700 000 Opfern von Stalin und seinem NKWD-Chef Jechow planmäßig und systematisch durchgeführt wurden. Keinesfalls war es ein Prozess, der sich durch seine Eigendynamik verselbstständigte.

Jahrbuch für historische Kommunismusforschung

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