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Politik: Kompetenzgerangel im Kosovo

Die EU will die UN-Verwaltung in Pristina ablösen – noch gibt es keine Einigung, wie das geschehen soll

Berlin - Im Kosovo gibt es nach der Unabhängigkeitserklärung offenbar Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Vereinten Nationen (UN) und der Europäischen Union (EU). So wird die internationale Staatengemeinschaft nach Informationen des Tagesspiegels auch nach dem Ende ihrer zivilen Friedensmission im Kosovo (Unmik) mit einem Repräsentanten und einem internationalen Büro im Land vertreten sein. Der Posten soll dem Vernehmen nach mit einem Europäer besetzt werden. Die UN verwalten das Gebiet der bislang serbischen Provinz seit 1999 auf der Grundlage einer Resolution des UN-Sicherheitsrates.

Die EU entsendet nicht nur die zivile Rechtsstaatsmission Eulex nach Kosovo, sondern zusätzlich einen Sondergesandten: Der Niederländer Pieter Feith soll als „internationaler ziviler Repräsentant“ die ersten Schritte des unabhängigen Staates begleiten und Unruhen zwischen Kosovo-Albanern und Serben verhindern. Die EU hat den Kosovosondergesandten mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet: Feith kann gegen Beschlüsse der Staatsregierung sein Veto einlegen, hochrangige Beamte entlassen und Ermittlungen wegen Korruption oder organisierter Kriminalität in die Wege leiten. Serbien hält Feiths Anwesenheit im Kosovo für illegal: Es sei völlig unklar, wen der Diplomat in Pristina repräsentieren wolle und auf welcher Grundlage er entsendet worden sei, sagte ein ranghoher Mitarbeiter des serbischen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica am Samstag. Belgrad sehe in Feith daher keinen legitimen Verhandlungspartner. Feith erklärte am Freitag in Pristina, er werde sich von Serbien nicht unter Druck setzen lassen und den Aufbau der EU-Mission wie geplant durchsetzen. Der Niederländer war am Donnerstag von der 15 Staaten umfassenden Internationalen Lenkungsgruppe für das Kosovo zum zivilen Repräsentanten ernannt worden.

Unterstützung soll Feith von den rund 1500 Polizisten, 400 Juristen und Verwaltungsfachleuten der Eulex-Mission bekommen: Sie sollen laut Beschluss der EU-Regierungen den Behörden des Kosovo, den Organen der Rechtspflege und den Polizeistellen beim Aufbau eines multiethnischen und demokratischen Kosovo behilflich sein. Auch sollten die EU-Polizisten „begrenzte exekutive Vollmachten“ bekommen. UN und EU haben es allerdings versäumt, klare Regelungen für den Wechsel der Zuständigkeiten zu treffen. So ist bislang völlig offen, auf welchem Wege die Befugnisse der 2000 Unmik-Polizisten und 500 Verwaltungsangestellten auf die Kollegen der EU übergehen sollen. Eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrates scheitert an der Blockadehaltung Russlands, das die Unabhängigkeit Kosovos ablehnt. Deshalb waren europäische Diplomaten davon ausgegangen, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon werde die Kompetenzen der UN-Übergangsverwaltung persönlich an Eulex übertragen. Allerdings scheint Ban dazu nicht bereit zu sein. Einiges deutet nun darauf hin, dass die EU die Entsendung von Eulex durch eine Einladung der Kosovoregierung legitimieren will: Diese Regierung werde immer mehr an Gewicht und damit auch an Legitimation gewinnen, heißt es.

Eindeutig ist immerhin die Ausrichtung der zivilen Mission . Nach Angaben einer Sprecherin des Eulex-Planungsteams sollen von 1500 EU-Polizisten im Kosovo 520 sogenannten „Crowd Riot Control“ Einheiten angehören – Spezialtrupps, die vor allem bei gewaltsamen ethnischen Auseinandersetzungen zum Einsatz kommen sollen. Zum Eulex-Team sollen außerdem 34 Richter, 18 Staatsanwälte, 30 Zollbeamte sowie mehrere hundert Verwaltungsangestellte und Berater gehören. Dass die EU mit Yves de Kermabon nicht nur einen Kosovokenner, sondern auch einen Drei-Sterne-General a. D. zum Chef der zivilen Rechtsstaatsmission gemacht hat, spricht für sich: Der Franzose war zwischen September 2004 und August 2005 Kommandeur der internationalen Kosovoschutztruppe Kfor und außerdem Chef der Multinationalen Brigade Nord in Mitrovica. In der Stadt, die von einer albanischen Mehrheit und einer serbischen Minderheit bewohnt wird, kommt es seit 1999 immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Ethnien, wie zuletzt unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo.

Bislang waren bei derartigen Unruhen neben der Polizei vor allem die Soldaten der internationalen Kosovoschutztruppe Kfor zur Stelle. Sie sollen so lange im Land bleiben, bis sich die Lage in dem jungen Staat stabilisiert hat und Kosovo ohne fremde Hilfe für Sicherheit sorgen kann. Da Kosovo über keine eigene Armee verfügt, wird das in Zukunft in erster Linie Aufgabe der kosovarischen Polizei (KPS) sein, die sich allerdings noch im Aufbau befindet. Nach Angaben eines KPS-Sprechers gibt es derzeit rund 7100 KPS-Polizisten – etwa neun Zehntel davon sind Albaner. Von ihrem Ziel, eine multiethnische Polizei im Kosovo zu etablieren, ist die internationale Staatengemeinschaft damit noch weit entfernt. Zudem gibt es bei KPS nach Einschätzung von Experten nach wie vor Korruption. Unmik will von einem solchen Leumund nichts wissen: „KPS hat sich zu einer hoch respektierten Institution entwickelt, der die Bürger vertrauen“, heißt es auf der Unmik-Homepage.

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