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Politik: Konflikt in Thailand immer blutiger

Im islamischen Süden Thailands nimmt Gewalt zu. 2000 Menschen sind verwundet oder tot, manche wurden enthauptet. Lehrer wollen Waffen tragen.

Das 57-jährige Opfer hielt sich mit einer Gruppe von Bauarbeitern in einem Dorf der thailändischen Provinz Narathiwat auf, als diese Woche die Angreifer kamen. Sie forderten die Männer auf, den Ort zu verlassen. Der Mann reagierte nicht, so schossen ihm die Bewaffneten dreimal in den Kopf, enthaupteten ihn und brachten ihn in ein nahe gelegenes Dorf. Das Opfer war ein thailändisch sprechender Buddhist. Er hatte, so erzählten Augenzeugen der Polizei, den in der Region üblichen malaiischen Dialekt der Angreifer nicht verstanden.

Es war das neunte Mal allein im Juni, dass mutmaßliche Moslem-Extremisten im Süden Thailands einen Buddhisten enthauptet haben. Kurz zuvor war ein Ehepaar auf dem Weg zu einer Plantage ermordet worden. Sie waren mit dem Moped gefahren. Weil Holz auf der Straße lag, war der Mann abgestiegen. Unbekannte schossen auf die beiden und enthaupteten sie.

Erstmals hat Thailand jetzt umfangreiche Statistiken zum Konflikt im islamischen Süden des ansonsten buddhistischen Landes veröffentlicht. Nach Polizeiangaben wurden seit Januar 2004 im Süden 790 Menschen getötet und 1217 verwundet. Die Gewalt nehme zu. In diesem Jahr würden täglich fünf Menschen ermordet oder verletzt, doppelt so viele wie 2004. Insgesamt habe es 264 Bomben- und 551 Brandanschläge gegeben. Die meisten Todesopfer seien Zivilisten. Die Statistik enthält noch nicht die letzten Toten. Zu ihnen gehört auch Manas Sri-on, ein buddhistischer Dorfbewohner, der Polizeiinformant gewesen sein soll. Der 47-Jährige wurde von neun Schüssen getroffen. „Wahrscheinlich wurde er von militanten Moslems ermordet, weil er eine enge Beziehung zu Behörden hatte, denen er half“, sagte Somporn Kittirat, Polizist in der Stadt Yala.

90 Prozent der Thais sind Buddhisten, die muslimische Minderheit lebt in den südlichsten Provinzen des Landes. Dort fordern seit Jahrzehnten kleine Separatistengruppen, die nie zu Massenbewegungen wurden, einen unabhängigen Staat.

Sie berufen sich auf das alte, islamische Königreich Pattani. Es war Jahrhunderte lang umkämpft und ist heute Teil Thailands. Seit 1980 wechseln sich im Süden ruhige und blutige Perioden ab. In der Region sollen auch Banden operieren, die mit Waffen und Drogen handeln. Die jüngste Gewaltwelle begann am 5. Januar 2004, als ein Armeestützpunkt überfallen, vier Soldaten getötet und Hunderte Maschinengewehre sowie Munition gestohlen wurden. Thailands Regierung verhängte in drei Provinzen Kriegsrecht.

20 000 Soldaten und Polizisten schaffen keinen Frieden. Die Konfliktparteien werfen sich gegenseitig vor, die Lage durch Härte zu verschärfen. Am blutigsten Tag erschossen Soldaten in wenigen Stunden 112 Moslems. Auf der anderen Seite töten Angreifer ihre Opfer bei Überfällen neuerdings besonders grausam. Eines von ihnen war ein Straßenverkäufer, der buddhistische Kleidung anbot. Der 43-Jährige saß zur Mittagszeit vor einem Cafe, als Unbekannte auf einem Motorrad heranfuhren und ihm in den Rücken schossen. Verletzt schleppte der Verkäufer sich in das Cafe, sein Mörder folgte, enthauptete ihn und nahm den Kopf mit. Weil Schulen oft Angriffsziel sind und schon mehr als 20 Schulangestellte ermordet wurden, haben viele Lehrer darum gebeten, versetzt zu werden oder Schusswaffen zu bekommen.

Oppositionspolitiker werfen Thailands Ministerpräsident Thaksin Shinawatra vor, im Süd-Konflikt keine klare Linie zu haben. „Gewalt kann nicht durch Gewalt gelöst werden. Es ist Zeit, der Versöhnung zuliebe Kompromisse zu machen und Vorurteile abzubauen“, sagte der zuvor unnachgiebige Thaksin überraschend Ende März. Er bildete eine Versöhnungskommission. Mitte Juni äußerte Thaksin sich dann wieder so hart wie eh und je. Das Morden im Süden, so der Ministerpräsident, werde nicht aufhören, „bis alle Militanten getötet sind“.

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