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Plakate der Fidesz-Regierung diffamieren Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und US-Milliardär George Soros.

© imago/EST&OST

Konflikt mit der EU: Ungarisches Gericht hält „Stop-Soros-Gesetz“ für verfassungskonform

Freiheitsstrafen für zivile Flüchtlingshelfer stehen in Ungarn im Einklang mit der Verfassung. Es ist nicht die einzige Unstimmigkeit mit der EU.

Das ungarische Verfassungsgericht hat ein Gesetz, das Freiheitsstrafen für zivile Flüchtlingshelfer vorsieht, als verfassungskonform eingestuft, zugleich aber seine Anwendung eingeschränkt. Der im Gesetz verankerte Straftatbestand der „Beihilfe zur illegalen Migration“ bestehe nur, wenn Personen oder Organisationen absichtlich und zweckgerichtet im Interesse von Menschen tätig werden, die keiner Verfolgung ausgesetzt sind und sich illegal im Land aufhalten, stellten die Höchstrichter in ihrem Urteil am Donnerstag fest .

Der besagte Straftatbestand sei auch nicht erfüllt, wenn zivile Flüchtlingshelfer mit ihren Handlungen ausschließlich darauf abzielen, das Leid von Bedürftigen zu mildern und ihnen eine menschliche Behandlung zuteil werden zu lassen.  

Die Regierung des rechts-nationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban hatte die Bestimmungen im Vorjahr unter der Bezeichnung „Stop-Soros-Gesetz“ vom Parlament beschließen lassen, um zivilen Flüchtlingshelfern strafrechtliche Konsequenzen anzudrohen. Bei Verstößen sind im Wiederholungsfall Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr vorgesehen. 

Die Europäische Kommission hat wegen des Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Die Bezeichnung „Stop Soros“ bezieht sich auf den liberalen US-Milliardär George Soros. Der aus Ungarn stammende Holocaust-Überlebende unterstützt mit seiner humanitären Stiftung zahlreiche Zivilorganisationen, die Flüchtlingen und Asylsuchenden helfen.

Die ungarische Regierungspropaganda unterstellt Soros, Europa mit Massen von muslimischen Einwanderern überschwemmen zu wollen. Eine jüngste Plakatkampagne diffamiert ihn als dämonischen Einflüsterer von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Sie hat europaweit für Empörung gesorgt.

Die EU-Kommission ist derweilen im Streit um die Plakatkampagne in die Gegenoffensive gegangen. Die Behörde veröffentlichte am Donnerstag ein vierseitiges Informationsblatt auf Ungarisch und Englisch, in dem sieben Vorwürfe gegen Brüssel entkräftet werden sollen. Die Kommission bedauere, dass dies nötig sei, sagte eine Sprecherin. Die Ungarn hätten es aber "verdient, die Wahrheit zu erfahren".

Behörde will Vorwürfe gegen Juncker entkräften

"Die Behauptungen der ungarischen Regierung sind im schlimmsten Fall geradezu sachlich falsch oder bestenfalls höchst irreführend", heißt es im Vorspann des Informationsblatts. "Die Kommission möchte daher die Dinge richtig stellen, Punkt für Punkt." Die Kommission verweist zudem darauf, dass jeder Mitgliedstaat "einschließlich Ungarns" die Verantwortung für auf EU-Ebene gemeinsam getroffenen Entscheidungen trage.

In der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der sowohl Juncker als auch Orban angehören, hat die Kampagne eine Diskussion darüber ausgelöst, ob die ungarische Fidesz-Partei ausgeschlossen werden sollte. Am kommenden Mittwoch diskutiert darüber erstmals die EVP-Fraktion im Europaparlament. Juncker hatte vergangene Woche gesagt, aus seiner Sicht sei für Orban kein Platz mehr in der EVP.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ist derweilen bemüht, die Wogen zu glätten. Wie ungarische Medien am Donnerstag berichteten, trafen sich zwei Orban-Vertraute - Kanzleramtsminister Gergely Gulyas und Ex-Sozialminister Zoltan Balog - in Berlin mit CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die EU-Kommission wies die Behauptungen der Plakatkampagne derweil in aller Schärfe zurück.

Orban-Vertraute wollen EVP-Ausschluss verhindern

Die CDU in Berlin bestätigte das Treffen mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der Fidesz-Partei, Gulyas. Kramp-Karrenbauer habe die Fidesz dazu aufgefordert, glaubhaft zu beweisen, dass sie sich den gemeinsamen Werten der EVP und den gemeinsamen Zielen der Arbeit im Europaparlament weiter verbunden fühle. Sie habe bereits im CDU-Bundesvorstand am Montag angekündigt, die klare und abgestimmte Distanzierung von CDU und CSU von der Plakatkampagne der ungarischen Regierung im direkten Gespräch deutlich zu machen.

Über das Treffen hatte zuvor der „Welt“-Journalist Robin Alexander auf Twitter berichtet. Demnach suchten die Orban-Vertrauten das Gespräch mit Kramp-Karrenbauer, um einen Ausschluss der ungarischen Regierungspartei Fidesz aus der konservativen Europäischen Volkspartei abzuwenden. Dieser gehören auch CDU und CSU an.

Die oppositionelle Tageszeitung „Nepszava“ berichtete am Donnerstag unter Berufung auf Fidesz-Kreise, Orbans Gesandte in Berlin hätten bei Kramp-Karrenbauer „minimale Fortschritte“ erzielt. Dem privaten Fernsehsender ATV zufolge soll ein EVP-Ausschluss von Fidesz bis zur Europawahl im Mai vom Tisch sei. (dpa, AFP)

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