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Kongo: Kein Geld an den Clan des Diktators

Die Schweiz friert das Vermögen von Kongos Ex-Herrscher Mobutu ein – um es den Bürgern zurückzugeben.

Berlin - Wäre der Stein ein echter gewesen, der am Freitag von den Herzen der Schweizer Finanzverantwortlichen gefallen ist, wären wohl in den gesamten Alpen Lawinen abgegangen. Denn in letzter Minute wurde verhindert, dass am Montag 7,7 Millionen Franken an den Clan eines afrikanischen Diktators ausgezahlt wurden. Es handelt sich um die Nachkommen Mobutu Sese Sekos, Herrscher im Kongo (Zaire) von 1965 bis 1997, der sein Volk drangsalierte und sein Land ausraubte, bevor er von den Rebellen des Laurent-Desiré Kabila aus dem Amt gejagt wurde.

Für Schweizer Verhältnisse geht es um eine eher kleine Summe. Doch die Eidgenossen wissen um die Symbolwirkung. Am Freitag fror die Regierung in Bern die Summe „ein letztes Mal“ ein, bis Ende Februar 2009, wie das Außenministerium erklärte. In dieser Zeit, so die Hoffnung, soll ein Weg gefunden werden, um das Geld an den Kongo zu übergeben. Dessen Präsident Joseph Kabila möge es dann zum Wohle seines geschundenen Volkes einsetzen. Nötig hätten es dort viele. Täglich werden Mädchen und Frauen im Osten vergewaltigt, treiben marodierende Soldaten des Präsidenten ihr Unwesen.

„Die Schweiz würde Mobutus Millionen heute nicht mehr annehmen“, meint der Vize-Direktor der Völkerrechtsdirektion im Berner Außenministerium, Valentin Zellweger. Schweizer Banken seien inzwischen „derart vorsichtig“, dass Despoten nicht mehr unerkannt Geld deponieren könnten. Die Banken seien verpflichtet, jeden „wirtschaftlich Berechtigten“ für ein Konto zu kennen und verdächtige Bewegungen einer Zentralstelle zu melden. So habe etwa die Schweiz Peru auf die Machenschaften des Geheimdienstchefs von Präsident Fujimori, Montesinos, aufmerksam gemacht und gemeinsam mit Lima die Rückführung der Gelder erwirkt. Allerdings, sagt der Schweizer Diplomat mit Erfahrungen am Internationalen Strafgerichtshof, könne es auch „Unfälle“ geben. In einem Fall aber ist Zellweger optimistisch: „Wenn heute unrechtmäßige Gelder von hohen Amtsträgern aus dem Kongo auf Schweizer Konten kommen, dann finden wir sie. Ohne einen Anstoß von außen.“

Doch auch mit dem jüngsten Schweizer Regierungsbeschluss ist keineswegs sicher, dass die Millionen nicht doch noch an den Clan des Ex-Diktators gehen. Es gibt kein Gesetz, das einfach die Übergabe an das kongolesische Volk erlauben würde. „Sie können nicht jemand Geld geben, der es nicht haben will“, sagt Zellweger. Im Falle des Kongo war das bis Ende der Woche tatsächlich so. Bis dahin hatte die Regierung in Kinshasa (abgesehen von einem 2003 abgebrochenen Rechtshilfeersuchen der Vorgänger) keinen Anspruch auf das Geld erhoben, trotz Drängens aus der Schweiz. Viele vermuten, dass das damit zu tun hatte, dass Mobutu-Sohn Nzanga mit Kabila regiert. Nun aber hat der Premier aus Kinshasa doch noch das Geld eingefordert.

Zuvor hatte die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey im November fast verzweifelt angeboten, die Schweiz werde den nötigen Anwalt bezahlen. Das wird das Außendepartement nun auch tun. „Das wird teuer“, sagt Zellweger, ohne jedoch eine Summe zu nennen. Der auf solche Fälle spezialisierte Schweizer Anwalt Enrico Monfrini soll nun den Weg ebnen, um eine Schmach der Schweiz zu verhindern.

„Alle Welt weiß, dass die Mobutu-Gelder gestohlen sind, aber kein Gericht hat das je festgestellt“, erklärt Zellweger. Die Millionen Mobutus, der sich in der Schweiz auch hatte operieren lassen, waren 1997 nach seinem Sturz blockiert, eine Villa später versteigert worden. Mobutu starb 1997 im Exil in Marokko. Zellweger hofft nun, dass es zu einem Verfahren kommt, in dem nicht der Staat die Unrechtmäßigkeit nachzuweisen versucht, sondern die sogenannten Erben aus der Familie nachweisen müssen, dass die Gelder rechtmäßiger Herkunft sind. Das werden sie kaum können. Aber noch sind solche Prozesse juristisches Neuland. Der Fall Mobutu wie auch der des haitianischen Diktators Duvalier haben gezeigt, dass es derzeit fast unmöglich ist, einem Volk Geld zurückzuzahlen, wenn es dort praktisch keine funktionierenden Strukturen mehr gibt.

Derzeit arbeitet das Außenministerium an einem „Gesetz für die extremen Fälle“. Das soll künftig verhindern, dass Nachkommen von Diktatoren in den Genuss gestohlener Vermögen kommen. Und es soll sicher stellen, dass dieses Geld der Bevölkerung zugute kommt. „So ein Gesetz gibt es nirgends“, sagt Zellweger. Er hofft, dass andere Staaten dem Beispiel folgen. Aber es wird auch in der Schweiz noch eine Weile dauern. Mit mindestens zwei Jahren rechnet Außenamtssprecher Georg Farago.

So schnell werden sich die Diktatoren der Welt die Ausbeutung ihrer Völker nicht abgewöhnen. Folgt man dem Hinweis Zellwegers, wird das Gesetz wohl eher immer dringender: Die Zahl sogenannter „failed states“ steigt ständig. „Wir müssen uns für die Zukunft wappnen.“

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