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Sind so viele Steuern... Da sollte sich doch irgendwas kürzen lassen!

© picture alliance / dpa

Konjunktur und Haushalt: Steuersenkungen jetzt!

Steuerentlastungen würden die deutsch Politik zwingen, die staatlichen Prioritäten neu zu überdenken, statt ständig neue Ausgaben zu planen. Ein Gastbeitrag.

Eine konjunkturelle Abschwächung hat eine alte Debatte wiederbelebt: Braucht Deutschland spürbare Steuererleichterungen für Arbeitnehmer und Unternehmen, um international konkurrenzfähig zu bleiben? Oder sollten die Steuern steigen, damit mehr Geld für Sozialprogramme und öffentliche Investitionen zur Verfügung steht?

Höhere Steuern schaffen Spielräume für öffentliche Ausgaben, während niedrigere Steuern die Fähigkeit des Staates zum Geldausgeben beschränken. Für welches von beiden man sich entscheidet, ist eine politische Frage. Ein allgemeiner Ansatz jedoch, der in Deutschland parteiübergreifend Unterstützung finden könnte, bestünde darin, sicherzustellen, dass der vom öffentlichen Sektor beanspruchte Anteil an der Wirtschaftsleistung mittelfristig weder zu- noch abnimmt.

Tatsächlich steigt das Verhältnis der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zum Bruttoinlandsprodukt BIP in Deutschland seit Jahren. Ein Referenzpunkt für die Entscheidung über die steuerliche Gesamtbelastung könnte das Jahr 2014 sein, in dem die Nettoneuverschuldung für den Bundeshaushalt auf null fiel. Damals beliefen sich die Steuereinnahmen (einschließlich der Sozialbeiträge) auf 38,6 Prozent vom BIP. Bis 2018 war die Quote auf 39,8 Prozent gestiegen.

Die Abschaffung des Soli wäre ein guter Anfang

Ganz ähnlich ist auch die Steuerquote (ohne Sozialabgaben) deutlich gestiegen, nämlich von 22,1 Prozent 2014 auf 22,8 Prozent im vergangenen Jahr. Im Jahr 2020 wird sie 23 Prozent überschreiten. Der Hauptgrund dafür ist, dass Inflation und Einkommenswachstum eine wachsende Zahl von Einkommensteuerzahlern in höhere Steuerklassen zwingen. Die Steuerquote auf das Niveau von 2014 zurückzuschrauben würde 2020 Steuererleichterungen in der Größenordnung von 34 Milliarden Euro erfordern. Selbst um das Niveau des Jahres 2017 zu erreichen, müsste die Regierung die Steuerlast um 22 Milliarden Euro verringern. Doch welche Steuern im Besonderen sollte man senken?

Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags wäre ein guter Anfang. Dieser sollte eigentlich nur vorübergehend erhoben werden, um im Gefolge der Wiedervereinigung den Wiederaufbau in der ehemaligen DDR zu finanzieren. 30 Jahre später ist es Zeit, dieses Versprechen einzuhalten.

Das Argument, dass das Ende des Solidaritätszuschlags ein unerbetenes "Geschenk an die Reichen" wäre, verzerrt die Fakten. In Wirklichkeit war seine Einführung eine überwiegend die "Reichen" treffende Sondermaßnahme. Wenn eine Partei die Bezieher höherer Gehälter stärker besteuern will, sollte sie sich für eine Reform der Einkommensteuersätze stark machen, aber nicht die überfällige Abschaffung des Solidaritätszuschlags blockieren. Auch die Ansicht, dass es sinnvoller wäre, das über den Solidaritätszuschlag beschaffte Geld direkt in öffentliche Investitionen zu lenken, überzeugt nicht, denn es herrscht kein Mangel an Geld für Investitionen. Zugleich steigen die Konsumausgaben des Staates massiv, und Umverteilungsprogramme richten sich häufig nicht an die Armen. Und das Scheitern von Infrastrukturprojekten in Deutschland hat oft mehr mit langwierigen Planungsabläufen und dem Widerstand der Anwohner zu tun als mit Geldmangel.

Frankreich senkt gerade die Körperschaftssteuer

Auch bei der Körperschaftsteuer muss dringend etwas getan werden. Der typische Steuersatz für Bilanzgewinne der Unternehmen liegt in Deutschland bei rund 30 Prozent; das ist deutlich mehr als in ähnlichen Ländern. Unter den G7-Ländern ist der Satz nur in Frankreich (33 Prozent) höher, und dort wird er in den kommenden Jahren auf 28 Prozent sinken, wobei weitere Senkungen auf 25 Prozent bereits vereinbart sind. Um zu verhindern, dass die Steuereinnahmen sinken, weil die Unternehmen ihre Gewinne ins Ausland verlagern, und um Investitionen und Arbeitsplätze in Deutschland zu halten, sollte die Bundesregierung dem Vorbild Frankreichs folgen und die Belastung durch die Körperschaftsteuer ebenfalls allmählich auf 25 Prozent senken.

Laut den Gegnern einer Körperschaftsteuerreform zeigt Deutschlands hoher Exportüberschuss, dass man die Wirtschaft nicht noch konkurrenzfähiger machen müsse. Aber das ist schlicht falsch. Wer so argumentiert, verwechselt das Exportpotenzial der Unternehmen mit der Attraktivität Deutschlands als Investitions- und Beschäftigungsstandort.

Deutschlands Exportüberschuss geht mit Nettokapitalexporten einher, weil mehr Investitionen im Ausland getätigt werden als im Inland. Eine Senkung der Körperschaftsteuer würde das ändern. Laut aktuellen Schätzungen könnten die Unternehmen bei einer Senkung dieser Steuer von 30 Prozent auf 25 Prozent ihre Investitionen um bis zu 14 Prozent steigern. Zudem würden aufgrund geringerer Steuervermeidung die in Deutschland erfassten Gewinne um rund vier Prozent steigen. Insgesamt bedeutet dies, dass eine Reform der Körperschaftsteuer weitgehend einkommensneutral sein könnte.

Und es gibt noch ein letztes, überzeugendes Argument für Steuerentlastungen. Sie würden die deutschen Politiker zwingen, die bestehenden staatlichen Ausgaben und Prioritäten neu zu überdenken, statt ständig ohne Weiteres neue Ausgabenprogramme aufzufahren, einfach, weil immer reichlich Geld zur Verfügung zu stehen scheint.

Clemens Fuest ist Präsident des ifo Instituts und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Aus dem Englischen von Jan Doolan. Copyright: Project Syndicate, 2019. www.project-syndicate.org

Clemens Fuest

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