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Politik: Kontinuität statt Frischzellenkur

Roland Koch ist darin geübt, Fakten zu seinen Gunsten auszulegen. Mehr als 50 Prozent der Hessen wünschten ihn als Regierungschef, gab er in der Wahlnacht am vorigen Sonntag zu Protokoll.

Roland Koch ist darin geübt, Fakten zu seinen Gunsten auszulegen. Mehr als 50 Prozent der Hessen wünschten ihn als Regierungschef, gab er in der Wahlnacht am vorigen Sonntag zu Protokoll. Schließlich hätten CDU und FDP zusammen 53,4 Prozent der Stimmen erreicht. In Wahrheit hatte die CDU mit Koch an der Spitze erneut Federn gelassen. Im Vergleich zur Wahl vor einem Jahr verloren die Christdemokraten noch einmal 45 975 Stimmen. Von einem „Denkzettel für die CDU“ sprach deshalb der Vorsitzende der hessischen Jungen Union, Peter Tauber. Koch habe ein klares Signal erhalten, für eine Erneuerung von Regierung und Partei zu sorgen. Es reiche nicht aus, jetzt ein paar Minister durch FDP-Mitglieder zu ersetzen. Der Zwischenruf des Nachwuchsmanns scheint in der hessischen CDU allerdings auf taube Ohren zu stoßen. Das zeigt die Liste der potenziellen Ministerkandidaten.

Als gesetzt gelten Kochs Stellvertreter in der Partei, der 57-jährige Innenminister Volker Bouffier, und Sozialministerin Silke Lautenschläger, die 40 ist und zusätzlich die Integrationspolitik übernehmen könnte. Finanzminister Karl-Heinz Weimar versicherte dem Tagesspiegel, er freue sich auf eine weitere Amtszeit; dass Koch den 59-Jährigen gegen dessen Willen in Pension schickt, gilt als unwahrscheinlich. Auch der Chef der Staatskanzlei, Stefan Grüttner, hofft auf eine weitere Amtszeit. Da die FDP auf einer Verkleinerung des Kabinetts von zehn auf höchstens neun Minister bestehen dürfte und wegen ihres guten Ergebnisses mit drei Ressorts rechnen kann, bleiben Koch für die Erneuerung lediglich zwei Ministerposten. Zum Kultusminister würde er gerne Jürgen Banzer machen, der das Amt nach dem Rücktritt von Ministerin Karin Wolff bereits geschäftsführend innehatte. Koch lobte im Wahlkampf Banzers dialogorientierte Schulpolitik.

Doch die Kompetenzwerte der CDU in der Bildungspolitik haben sich im vergangenen Jahr kaum verbessert. Die CDU sei „mit der Wiederholung ihrer Wahlniederlage“ deutlich für ihre verfehlte Bildungspolitik abgestraft worden, sagt der GEW- Vorsitzende Jochen Nagel. Der CDU-Delegation, die den Koalitionsvertrag aushandelt, gehört Banzer jedenfalls nicht an. Und die FDP hat Ambitionen auf das Ministerium. Ein führendes Mitglied der hessischen Liberalen bestätigte dem Tagesspiegel: „Man erwartet von uns, dass wir hier Verantwortung übernehmen.“ Klar ist, dass FDP-Vize Dieter Posch Wirtschaftsminister werden soll. Spitzenkandidat Jörg-Uwe Hahn wird stellvertretender Ministerpräsident und möglicherweise Justizminister.

Bestätigen sich alle Spekulationen, würde das Durchschnittsalter der Regierung sogar steigen. Mit der Wiederwahl des 65-jährigen Fraktionschefs Christean Wagner hat die CDU bereits auf Kontinuität gesetzt. Gut möglich, dass Koch Partei und Regierung gerne eine Frischzellenkur verordnen würde. Ob er die durchsetzen kann, ist nun die Frage. Koch ist in einem Dilemma. Überlässt er es der FDP, in der neuen Regierung Akzente zu setzen, könnte die ohnehin mäßige Bewertung der Arbeit der CDU-Ministerriege noch weiter leiden.

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