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Kooperation von Bund und Ländern: Grüne machen Vorschlag für Weg zu AfD-Verbotsverfahren
Ein Gutachten hat den Streit über ein juristisches Vorgehen gegen die Rechten wieder entfacht. Dobrindt bleibt wie der Bremer Innensenator Mäurer skeptisch. Nun gibt es einen neuen Plan.
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Nach der vorübergehenden Einstufung der gesamten AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch den Verfassungsschutz ist in Deutschland die Debatte darüber, ob ein weiterer Versuch unternommen werden soll, gegen die Partei juristisch vorzugehen, wieder voll entbrannt. Die Grünen im Bundestag wollen nun einen neuen Anlauf für ein AfD-Verbotsverfahren anstoßen – dieses Mal unter Beteiligung der Länder.
„Bei der AfD handelt es sich um eine brandgefährliche Partei, die die Grundprinzipien unserer freiheitlichen Demokratie offen missachtet“, sagten der stellvertretende Fraktionschef Konstantin von Notz und die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin, Irene Mihalic, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Ein Verbotsverfahren könnten Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht beantragen.
Jetzt die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren gegen die AfD schaffen.
Irene Mihalic und Konstantin von Notz, Grüne
Die AfD ist seit der Bundestagswahl zweitstärkste politische Kraft im Parlament und zog danach zeitweise in Umfragen sogar mit der Union gleich. Aktuell liegen CDU/CSU in Erhebungen wie dem Politbarometer von ZDF und Tagesspiegel wieder vier Punkte vor der AfD, die auf 23 Prozent kommt.
Die Grünen Politiker fordern Bund und Länder auf, „jetzt die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu schaffen“. Ein Verbotsverfahren habe zu Recht hohe verfassungsrechtliche Hürden und müsse deshalb mit der gebotenen juristischen Sorgfalt angegangen werden, sagten die beiden Innen-Experten der Fraktion. Zunächst solle deshalb eine Grundlage geschaffen werden. Dafür schlugen von Notz und Mihalic eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe vor.
Diese solle „in einem ersten Schritt alle in Bund und Ländern vorliegenden Informationen zusammenführen“, erklärten die beiden Grünen-Politiker. So könnten alle Verantwortlichen ein gemeinsames Vorgehen hin zu einem zügigen Verbotsverfahren erarbeiten. „Wir dürfen nicht zusehen, wie eine rechtsextreme Partei vor unser aller Augen die Demokratie zu zersetzen versucht, gesellschaftliche Spaltung vorantreibt und sich dabei von staatlichen Mitteln finanzieren lässt“, mahnten von Notz und Mihalic.
Der grüne Rechtspolitiker Till Steffen bekräftigte gegenüber den Zeitungen, in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe könne mit allen Verantwortlichen die Lage eingeschätzt und ein gemeinsames Vorgehen erarbeitet werden. „Dafür ist das Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das die Partei zu einer gesichert rechtsextremistischen Bestrebung hochstuft, ein wichtiger Baustein“, sagte Steffen.
Koalition bei AfD-Verbotsverfahren uneins
Anfang Mai hatte der Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Grundlage dafür war ein mehr als 1000-seitiges Gutachten, das die Behörde über mehrere Jahre anfertigte.
Die AfD wehrte sich erfolgreich juristisch dagegen, weshalb der Verfassungsschutz die Hochstufung zunächst auf Eis legte und die Partei bis auf Weiteres wieder als „Verdachtsfall“ führt. Inhaltlich hält die Behörde aber an ihrer Einschätzung fest. Das Gutachten fachte die Diskussion um ein Verbotsverfahren erneut an.
Die zentrale Schwäche des Gutachtens besteht darin, dass es zu den für ein Verbotsverfahren zentralen Themen Demokratiegefährdung und Rechtsstaatlichkeit vage bleibt.
Ulrich Mäurer, Bremer Innensenator und Vorsitzende der Innenministerkonferenz (SPD)
Der Bremer Innensenator und Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Ulrich Mäurer (SPD), blickt kritisch auf die Debatte um ein AfD-Verbot. „Für ein solches Verfahren braucht man eine überzeugende Aufbereitung. Das vorliegende Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz allein wird von vielen meiner IMK-Kollegen als nicht ausreichend eingestuft, um ein Verbotsverfahren einzuleiten“, sagte er der „Welt“.
„Die zentrale Schwäche des Gutachtens besteht darin, dass es zu den für ein Verbotsverfahren zentralen Themen Demokratiegefährdung und Rechtsstaatlichkeit vage bleibt.“ Das Gutachten beschränke sich überwiegend auf das Thema Menschenwürde. „Ich hielte es für viel zu riskant und zu dünn, ausschließlich mit einer solchen Argumentation in Karlsruhe anzutreten“, sagte Mäurer, der in der Vergangenheit bereits an zwei erfolglosen Verbotsverfahren beteiligt war. „Wenn man ein solches Verfahren betreiben will, muss man es sehr, sehr sorgfältig machen.“
In der schwarz-roten Bundesregierung gehen die Ansichten über einen Verbotsantrag auseinander. SPD-Chef und Finanzminister Lars Klingbeil zeigte sich offen dafür. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ist skeptisch. Aus seiner Sicht reicht das Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD nicht aus für ein Verbotsverfahren.
Auch aus der Union heißt es immer wieder, statt eine Niederlage vor dem Verfassungsgericht zu kassieren, müsse man die AfD inhaltlich stellen. Ex-Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hält dabei den von der neuen Bundesregierung eingeschlagenen Kurs in der Migrationspolitik mit Zurückweisungen auch von Asylsuchenden an den Grenzen für entscheidend, um die AfD auf Abstand zu halten.
„In der Formel 1 würde man sagen: Die AfD ist auf Schlagdistanz. Wenn die Union Fehler macht und ihre Wahlversprechen nicht hält, kann die AfD zum Überholmanöver ansetzen“, sagte der frühere bayerische Ministerpräsident der „Süddeutschen Zeitung“.
„Ich mag mich an den Gedanken gar nicht heranrobben, was passiert, wenn das nicht hält. Daran glaube ich nicht, aber für das Vertrauen zur Union ist das existenziell“, sagte Seehofer mit Blick auf rechtliche Unwägbarkeiten nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin. Das hatte die Zurückweisung dreier Asylsuchender aus Somalia bei einer Kontrolle am Bahnhof der Grenzstadt Frankfurt (Oder) für rechtswidrig erklärt.
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