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Im Sitzen aufgebahrt. Der verstorbene Schenuda III. wird zwei Tage lang in der Kairoer Kathedrale auf dem Papstsitz ausgestellt , damit Gläubige Abschied nehmen können. Foto: dpa

© dpa

Politik: Kopten trauern um ihr Oberhaupt

Der Tod von Papst Schenuda III. trifft die Christen Ägyptens in einer schwierigen politischen Lage.

Nichts geht mehr rund um die mächtige Kairoer Sankt-Markus-Kathedrale. Endlose Staus verstopfen die Straßen, die dunklen Glocken läuten. Aus allen Himmelsrichtungen strömen die koptischen Christen herbei – Frauen in Schwarz, Alte untergehakt bei ihren Enkeln, junge Männer auf Motorrädern, vollgestopfte Minibusse und Autos mit Familien. Alle wollen Abschied nehmen von Papst Schenuda III., der sitzend in goldenem Ornat und goldener Krone auf seinem monumentalen Papstthron aufgebahrt ist. Der 88-Jährige war am Samstagabend in seiner Residenz gestorben. Seitdem harren die Menschen in dem Gotteshaus im Stadtteil Abbassiya aus, weinen, knien versunken in den Bänken oder halten Fotos des Verstorbenen in den Händen. Viele kennen nur „Baba Schenuda“, wie sie ihn nannten, als Kirchenoberhaupt. Beinahe 41 Jahre lang hatte der Verstorbene an der Spitze der größten und ältesten Kirche des Nahen und Mittleren Ostens gestanden.

Sein Tod kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die christliche Minderheit am Nil durch immer neue Konfrontationen mit islamischen Fundamentalisten erschüttert wird. Verzweiflung und Zukunftsangst wachsen unter den Gläubigen, die etwa acht bis zehn Prozent der gut 80 Millionen Einwohner ausmachen. Muslimbrüder und Salafisten haben im neuen Parlament fast eine Dreiviertelmehrheit. Immer mehr junge, gut ausgebildete Kopten kehren ihrer Heimat den Rücken. Sie fühlen sich von militanten Muslimen in die Enge gedrängt – auch wenn religiöse Spannungen ihre Gemeinden bereits seit dem Putsch von Gamal Abdel Nasser 1952 begleiten.

Nach dem Sturz von Hosni Mubarak im Februar 2011 jedoch sind die Ausschreitungen gegen Christen auf breiter Front eskaliert. Kirchen gingen in Flammen auf, wiederkehrende Straßenschlachten mit über hundert Toten erschütterten die ägyptische Hauptstadt. Zuletzt starben an der Kairoer Nilpromenade zwei Dutzend Menschen, als Soldaten und Provokateure über einen koptischen Demonstrationszug herfielen. „Gewalt ist absolut nicht unsere Sprache“, beschwor Papst Schenuda III. immer wieder seine aufgebrachte Jugend und versuchte gleichzeitig, die Wogen im Dialog mit muslimischen Geistlichen und der Staatsführung zu glätten.

Der verstorbene Patriarch war hoch gebildet, ein brillanter Prediger und gleichzeitig ein überzeugter Patriot. Geboren im August 1923 im oberägyptischen Assiut nahm er als Offizier der ägyptischen Armee an dem arabisch-israelischen Krieg von 1948 teil. An der Universität von Kairo studierte Nazeer Gayed, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, Geschichte und Archäologie, später am koptisch-orthodoxen Priesterseminar auch Theologie. 1954 trat er in das Kloster Deir es-Suryan im Wadi Natrun ein und lebte mehrere Jahre als Einsiedler in einer Felsenhöhle. 1962 wurde er zum Bischof geweiht, am 31. Oktober 1971 dann zum 117. Nachfolger des Apostels Markus gekürt, auf den die koptische Kirche ihren Ursprung zurückführt.

Unter seinem fast 41 Jahre langen Pontifikat haben vor allem das Gemeindeleben und das Mönchtum einen großen Aufschwung genommen. Gab es in den sechziger Jahren nur noch sechs Männerklöster mit wenigen betagten Mönchen, existieren heute 17 Kommunitäten ohne Nachwuchsprobleme. Auch Frauenklöster mit Hunderten von Nonnen sind entstanden und leisten Sozialarbeit. Das Netz der Auslandskirchen in Europa, Amerika und Australien ist kräftig gewachsen. Marienerscheinungen haben Konjunktur, Wallfahrten und Frömmigkeit florieren. Die theologische Ausbildung der Priester jedoch ist weiterhin mangelhaft – mit ein Grund, warum aufgeklärte Kopten in ihren eigenen Reihen eine zunehmende Bunkermentalität und Engstirnigkeit beklagen.

Am Dienstag wird Papst Schenuda III. nach der Trauerfeier in Kairo im Wadi Natrun beerdigt. Zwei Monate später bestimmt eine 1500-köpfige Vollversammlung aus Bischöfen, Mönchen und prominenten Laien seinen Nachfolger, der die koptischen Christen dann im post-revolutionären Ägypten führen soll. Drei Kandidaten werden ausgewählt. Anschließend zieht ein Kind mit verbundenen Augen einen der drei Namenszettel – ein Ritual, das nach Überzeugung der Kopten den Willen Gottes mit einbezieht.

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