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Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister, bei einer Fraktionssitzung der SPD im Deutschen Bundestag.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Exklusiv

Kostensteigerung im Finanzministerium: Ausgaben für Berater in einem Jahr verdoppelt

Als IT-Berater mehr Gehalt als die Kanzlerin? Kein Problem - zumindest im Finanzministerium. Dort sind die Kosten für externe Expertise seit 2015 durch die Decke geschossen.

Wer als IT-Berater für SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz arbeitet, kann mitunter sogar mehr verdienen als die Kanzlerin: Satte 646.000 Euro zahlte der Bundesfinanzminister in den Jahren 2018 und 2019 einem einzigen Projektleiter. Und wofür? Endlich mal die verzögerte Datenbank der Finanzkontrolle Schwarzarbeit an den Start bringen.

Zum Vergleich: Angela Merkel (CDU) bezieht laut Bundesministergesetz in der Besoldungsgruppe B11 für ihr Amt ein Jahresgehalt von gut 250.000 Euro. Inklusive Zulagen.

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Doch es sind nicht nur einzelne Berater – oder auch Beraterinnen – die gut am Ministerium des obersten Schatzmeisters verdienen. Die Kosten beim Bundesfinanzministerium für externe Beratung insgesamt sind zwischen 2015 und 2019 um 476 Prozent gestiegen: von 5,3 Millionen Euro auf 30,4 Millionen Euro. Das geht aus einer Aufstellung des Ministeriums für den Haushaltsausschuss hervor, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt. Etwa 90 Prozent der Kosten entfallen dabei auf IT-Berater.

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Olaf Scholz ist seit März 2018 Bundesfinanzminister. Damals lagen die Beratungskosten bei 14,7 Millionen Euro - im Folgejahr dann bei 30,4 Millionen Euro. Vor 2018 hatte Wolfgang Schäuble (CDU) das Ministerium acht Jahre lang geführt. In dieser Zeit wurden Kosten in nur einem Jahr auch schon mal verdreifacht - von 5,3 Millionen Euro im Jahr 2015 auf 16,2 Millionen Euro im Jahr 2016.

Damit gerät beim Einsatz von teuren Beratern nach dem Verteidigungsministerium unter der damaligen Führung von Ursula von der Leyen (CDU) und dem Bundesverkehrsministerium unter Andreas Scheuer (CSU) nun auch das Bundesfinanzministerium in den Blick. Die drei stehen für eine generelle Entwicklung: Lagen die Ausgaben aller Ressorts für externe Unterstützung 2014 noch bei 63 Millionen Euro, waren es 2017 schon 248 Millionen. Einem Schreiben aus dem Finanzministerium vom Oktober 2020 gab die Bundesregierung dann allein im ersten Halbjahr 2020 bereits mindestens 186,1 Millionen Euro für externe Beratung aus.

Ein Sprecher des Finanzministeriums verweist mit Blick auf die Zahlen aus seinem Ressort darauf, dass etwa 20 Millionen Euro der zuletzt angefallen Buchungen über gut 30 Millionen Euro auf das so genannte „Informationstechnikzentrum Bund“ entfallen seien. Und tatsächlich hat dieser zentrale IT-Dienstleister für die Bundesverwaltung auch das Innenministerium und das Verkehrsministerium von Andreas Scheuer als Kunden.

Die Bundesregierung setzt bei der IT-Beratung stark auf Expertise von außen
Die Bundesregierung setzt bei der IT-Beratung stark auf Expertise von außen

© Getty Images/iStockphoto

Allerdings übernimmt das „Informationstechnikzentrum Bund“ auch wesentliche Aufgaben etwa für die Generalzolldirektion und das Bundeszentralamt für Steuern. Und die beiden wiederum unterstehen dem Bundesfinanzministerium.

Zudem ist der Trend zu kräftigen Kostensteigerungen für Expertise von außen auch im Detlev-Rohwedder-Haus in der Berliner Wilhelmstraße deutlich zu erkennen. Nur für das Ministerium – ohne jede nachgeordnete Behörde – wurden die Ausgaben allein für die IT-Beratung von 1,1 Millionen im Jahr 2015 auf 4,8 Millionen Euro im Jahr 2019 erhöht. Und auch beim Bundeszentralamt für Steuern schossen die Saläre für Informationstechniker von 1,3 auf 3,3 Millionen nach oben.

„Die Maßnahmen sind grundsätzlich vorübergehender Natur“, sagte ein Ministeriumssprecher dem Tagesspiegel. Externe Beraterinnen und Berater könnten beispielsweis bei kurzfristigen Neuentwicklungen von spezifischen IT-Lösungen flexibel genutzt werden. „Insbesondere in der schnelllebigen Welt der Informationstechnik wäre das Vorhalten jeglicher benötigter IT-Expertise nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch teilweise unmöglich.“

Eine kleine Kostenaufstellung über Beratung im Bundesfinanzministerium:

  • Für externe Beratung insgesamt sind zwischen 2015 und 2019 die Kosten fast um 600 Prozent gestiegen – von 5,3 Millionen Euro auf 30,4 Millionen Euro.
  • Etwa 20 Millionen Euro entfielen 2019 auf das so genannte „Informationstechnikzentrum Bund“.
  • Nur für das Finanzministerium – ohne jede nachgeordnete Behörde – wurden die Ausgaben allein für die IT-Beratung von 1,1 Millionen im Jahr 2015 auf 4,8 Millionen Euro im Jahr 2019 erhöht.
  • Beim Bundeszentralamt für Steuern schossen die Saläre für Informationstechniker von 1,3 Millionen im Jahr 2015 auf 3,3 Millionen Euro im Jahr 2019 nach oben.
  • Satte 646.000 Euro zahlte der Bundesfinanzminister in einem Einzelfall in den Jahren 2018 und 2019 einem einzigen Projektleiter.

Zwar hält auch Transparency Deutschland den Einsatz von Beratenden für einen Blick von außen auf die staatliche Bürokratie grundsätzlich für sinnvoll und bei Spezialfragen für wirtschaftlicher. Aber: „Das Ansteigen der Beraterkosten in einem Ministerium, das über Hunderte von hochqualifizierten Beamten verfügt, ist in dieser Höhe sehr überraschend und zu hinterfragen“, sagte Senior Advisor Peter Conze dem Tagesspiegel.

Das Finanzministerium müsse durch eine strategische Planung in der Lage sein, Aufgabenstellungen selbst zu definieren, die Auftragsabwicklung zu überwachen und die Ergebnisse zu beurteilen. „Bei der Höhe der Beraterkosten erscheint es zweifelhaft, ob eine solche Planung vorliegt.“

„Strukturen der Selbstbedienung“

Generell ist das Engagement von Unternehmensberater:innen und anderen Expert:innen von außen durch die Bundesregierung hoch umstritten. Die Kritik entzündet sich daran, dass der Einkauf von Sachverstand zu teuer und angesichts der mehr als 20.000 Mitarbeiter in den Ministerien auch nicht zwingend notwendig sei. Zudem wird zu großer Einfluss auf die Regierungsarbeit befürchtet.

Befürworter:innen versprechen sich dagegen in ganz unterschiedlichen Bereichen einen Mehrwert durch den Blick von außen. Zudem kann Expertise gezielt für Spezialaufgaben eingesetzt werden, so dass für diese Projekte keine fest angestellten Beschäftigten benötigt werden.

Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven-Christian Kindler, kritisiert indes, dass die Kosten für private Berater:innen im Haus von Olaf Scholz inzwischen regelrecht durch die Decke geschossen seien. „Bei allen Schwierigkeiten immer nur für viel Geld neue private Beratungsunternehmen zu engagieren ist kein verantwortlicher Umgang mit den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger“, sagte er dem Tagesspiegel.

Kindler pocht auf eine „echte Evaluation der Performance“ privater Beratungsfirmen, anstatt nur deren Einzelrechnungen auf sachliche Richtigkeit hin zu überprüfen. „Strukturen der Selbstbedienung“ ließen sich sonst nicht aufdecken. „Gerade nach der Berateraffäre im Verteidigungsministerium sollte doch zumindest ein Problembewusstsein für die Berateritis vorhanden sein, unter der die gesamte Bundesregierung leidet.“

Hinweis: Eine frühere Version dieses Artikels war mit der Überschrift „Kostenexplosion bei Olaf Scholz: Ausgaben für Berater um 600 Prozent gestiegen“ versehen. Das ist nicht korrekt, zwischen 2015 und 2019 betrug die tatsächliche Steigerung der Beraterkosten im Bundesfinanzministerium 476 Prozent. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. Zudem haben wir den Text um einen neuen, vierten Absatz ergänzt um deutlicher zu machen, welche Minister jeweils welche Kostensteigerung zu verantworten haben.

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