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Politik: Krach in der Familie

Früher, als die Welt ideologisch noch geordnet war, da hielten die Union und die Katholische Kirche zusammen wie wahre Brüder. Zumindest im Geiste.

Früher, als die Welt ideologisch noch geordnet war, da hielten die Union und die Katholische Kirche zusammen wie wahre Brüder. Zumindest im Geiste. Vorbei die gute alte Zeit? Heute wollen zumindest einige aus der Union die Katholiken nicht mal mit am Tisch haben, wenn über die großen gesellschaftlichen Projekte beraten wird. Die Expertenanhörung im Bundestag zum Zuwanderungsgesetz hätte fast ohne katholischen Vertreter stattgefunden. Die Union wollte sie ursprünglich nicht einladen. Erst in letzter Sekunde erkannte die Fraktionsführung das unglückliche Signal, das davon ausgegangen wäre - und pfiff die eigenen Innenpolitiker zurück.

Die Vorgeschichte: Bei allen wichtigen Gesetzesvorhaben laden die Parteien im Vorfeld Sachverständige ein, die ihre Meinungen, Anregungen, Bedenken formulieren sollen. Bei großen Reformprojekten wird die Zahl auch schon mal um "interfraktionelle Kandidaten" erweitert. Dies hatten SPD, Grüne, FDP und PDS auch im Falle der Zuwanderung vorgeschlagen. Zu den fünf zusätzlichen Experten sollten auch Vertreter der Katholischen wie der Evangelischen Kirche gehören. Im Namen seiner Fraktion lehnte der Unions-Obmann im Innenausschuss, Erwin Marschewski, diesen Vorschlag ab. Erst verzichtete er auf die zusätzlichen interfraktionellen Kandidaten, legte schließlich eine Liste mit jenen vier Sachverständigen vor, welche die Union zu der Expertenanhörung einladen werde. Darauf: kein Kirchenvertreter. Die Position der Kirchen sei ja nun hinlänglich bekannt, so die offizielle Begründung.

"Sachverständige, die das rot-grünen Gesetz wenigstens wohlwollend kommentieren könnten, sind von Unionsseite offenbar nicht erwünscht", stichelte die Vorsitzende des Innenausschussses, Ute Vogt, bei der in den vergangenen Tagen laufend Protestanrufe von Kirchenvertretern eingegangen waren. Das Zerwürfnis zwischen den Kirchen und der Union über die Regelung der Zuwanderung hatte sich in den vergangenen Wochen und Monaten bereits angebahnt. Da hatten führende Geistliche die Konservativen mehrfach für ihre strikte Verweigerungshaltung gegenüber Schilys Plänen gerügt. Und jetzt sollten die C-Parteien die Katholiken zum Dank auch noch als Sachverständige einladen? Halleluja! Dieser Kelch möge an uns vorrübergehen, hatten einige aus der Fraktion offenbar gedacht.

So wäre beinahe nur die Evangelische Kirche (EKD) bei der Experten-Anhörung dabei gewesen. Ihr Vertreter wurde von SPD und Grünen eingeladen - verbindet EKD und SPD doch seit jeher eine gewisse Nähe. Die EKD hatte zudem in Gesprächen mit SPD-Fachpolitikern signalisiert, dass sie Schilys Konzept pauschal gutheißen werde. Nur die Katholiken fühlten sich nun von ihrer Union überfahren. Als der Tagesspiegel am Freitag beim parlamentarischen Geschäftsführer der Union, Hans-Peter Repnik, nachfragte, ob es bei der Wahl der Sachverständigen bleiben werde, reagierte dieser alarmiert. Er habe seinen Leuten aus dem Innenausschuss bereits gesagt, dass es ohne die Katholiken nicht gehe, so Repnik. Eine klassische Intervention. Nicht mal eine halbe Stunde später konnte Repnik dann freudig vermelden, dass die Katholische Kirche nun doch bei der Anhörung dabei sein werde. Sogar auf Einladung der Union. Mit christdemokratischem Segen quasi.

Markus Feldenkirchen

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