zum Hauptinhalt

Politik: Krieg der Bomber in 3-D

WASHINGTON .Lautlos und anmutig schweben sie über den Atlantik.

WASHINGTON .Lautlos und anmutig schweben sie über den Atlantik.Sie sehen aus wie präzise gefaltete Papierschwalben.Dann rutscht eine giftgrüne Bergkette ins Bild, und aus den Dreiecken lösen sich weiße Perlen.Schnitt.Jetzt steht der Himmel über Belgrad in Flammen, Feuer erleuchten die Nacht.William Cohen, der Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten, darf den Jungfern-Einsatz seiner neuesten Luxuswaffe kommentieren."Das Flugzeug brachte eine seinen Fähigkeiten entsprechende Leistung", weicht er den Fragen nach den Erfolgen seiner B-2-Bomber aus.Macht nichts - in 3-D kamen die superteuren und umstrittenen Tarnkappenflugzeuge prächtig zur Geltung.

Für das Pentagon und die US-Rüstungsindustrie ist jeder Krieg eine Chance, die neueste Waffentechnik endlich auszuprobieren und ihre Effektivität zu beweisen.Wie bei den immer teurer werdenden Hollywood-Produktionen muß auch hier das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen.Gut, daß die US-Fernsehanstalten auf Fakten und Bilanzen nicht warten können.Denn hinterher stellt sich oft heraus, daß die Wunderwaffen der Amerikaner weit weniger treffsicher sind, als ursprünglich behauptet wurde.

Die aktuellen Prunkstücke der US-Streitkräfte sind die B-2-Bomber.Jeder von ihnen kostet fast vier Milliarden Mark, so daß von den ursprünglich bestellten 132 Exemplaren bisher nur 21 gebaut wurden.Die Maschinen sind mit einem Spezialbelag beschichtet, der Radarstrahlen absorbiert.Für den Feind sind sie dadurch praktisch unsichtbar.Umgekehrt können die Piloten ihre Ziele selbst durch Wolken hindurch erkennen.Die tödliche Last der B-2-Flugzeuge besteht aus bis zu 16 satellitengesteuerten 900-Kilo-Bomben oder acht "Bunkerknackern".

Die Entwicklung des teuersten Militärflugzeugs der Welt war stets von Kontroversen begleitet.Konzipiert wurden die Langstreckenbomber noch zu Zeiten des Kalten Krieges.Nur neun Exemplare sind derzeit einsatzbereit.1997 stellte ein Kongreßbericht fest, daß sie nicht in Übersee stationiert werden können, weil ihre Wartung zu aufwendig ist und sie nur in speziellen Hallen geparkt werden dürfen.Zudem droht sich der Spezialbelag bei Regen zu lösen.

Für das Pentagon, das gerade eine massive Aufstockung seines Rüstungshaushaltes erfochten hat, wäre es fatal, wenn der B-2-Bomber ähnliche Defizite aufweisen würde wie die im Golfkrieg gefeierten Patriot-Raketen.Bis heute ist nicht bewiesen, daß es auch nur einer einzigen Patriot gelang, über Israel eine irakische Scud-Rakete abzufangen.Dennoch verordnete der US-Senat vor einer Woche der Regierung die Entwicklung eines Raketen-Abfangsystems, dessen Konzept auf einer Mischung beruht zwischen dem Patriot-System und Ronald Reagans "Krieg der Sterne".Feindliche Geschosse sollen per Satellit ausgemacht, dann vom Bodenradar ins Visier genommen und mit Boden-Luft-Raketen abgeschossen werden.

Schwachstellen haben auch die Cruise Missiles, von denen jede umgerechnet mit 1,2 Millionen Mark zu Buche schlägt.Vor dem Golfkrieg brüsteten sich die US-Militärs damit, jede Tomahawk-Rakete werde ihr Ziel erreichen.Später fanden die Rechnungsprüfer des US-Kongresses heraus, daß jedes Mal eine ganze Salve von Marschflugkörpern abgefeuert werden mußte, um die erhoffte Wirkung zu erreichen.Überfordert sind die Raketen auch bei Zielen, die sich auf Hügeln oder in Schluchten befinden.

Dennoch, die Hightech-Waffen haben aus Sicht der US-Regierung einen unschätzbaren Vorteil: Ihr Einsatz bringt kaum einen amerikanischen Soldaten in unmittelbare Gefahr.Seit Vietnam reagiert die amerikanische Öffentlichkeit höchst empfindlich auf Leichensäcke und mit US-Flaggen bedeckte Särge; die Entsendung von GIs zu Kampfaufträgen ist praktisch ein Tabu.US-Präsident Bill Clinton führt am liebsten sterile Kriege.Und die amerikanischen Medien sind dabei seine besten Verbündeten.

Denn um den Hunger des Publikums nach bewegten Bildern zu stillen, greift das US-Fernsehen nach allem, was das Pentagon liefert.Im Golfkrieg waren es aus den Bäuchen der Bomber heraus gefilmte unscharfe Video-Aufnahmen, diesmal setzen die Networks vor allem dreidimensionale Computersimulationen ein.Auf ihnen erscheint Jugoslawien als bergige Relief-Landschaft, im selben Giftgrün wie die Wetterkarten.Der CNN-Meteorologe meldet, daß der Himmel über Belgrad "teilweise bewölkt" ist - ideales Wetter für die NATO-Piloten.

ELLY JUNGHANS

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false