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Politik: Krieg im Sinn

Von Axel Vornbäumen

Wie ein Krebsgeschwür frisst sich der Terror immer tiefer in den Alltag Afghanistans, anscheinend unaufhaltsam. Das Land, zu dessen demokratischer Befriedung die internationale Staatengemeinschaft unter Führung der USA vor fünfeinhalb Jahren mit massivstem Militäreinsatz aufgebrochen war, kommt nicht zur Ruhe. Schlimmer noch: Die Kräfte werden offenkundig stärker, die es nicht zur Ruhe kommen lassen wollen. Leise und zunächst nur als Befürchtung hat sich so etwas wie Fatalismus in die Lagebeurteilungen westlicher Sicherheitsexperten geschlichen, doch mittlerweile gewinnt ein unheilvoller Begriff immer stärker an Konturen: Die Rede ist von der „Irakisierung Afghanistans“. Ein Land, heißt das, ist auf dem Weg ins Chaos.

Und das heißt auch: Der Terror der Taliban ist unberechenbar; man muss, so gut es eben geht, versuchen, sich gegen ihn zu wappnen, aber lückenlos schützen kann man sich nicht. Nun muss diese Einschätzung ergänzt werden um die schreckliche Erkenntnis: Der Terror ist flächendeckend, es gibt keine Zonen des Friedens mehr, auch nicht für die Bundeswehr. Drei deutsche Soldaten sind am Wochenende Opfer der „Irakisierung Afghanistans“ geworden, auf einem Markt in Kundus, im Norden des Landes, der bislang als vergleichsweise ruhig galt. Es ist das schwerste Attentat auf deutsche Soldaten seit fast vier Jahren, damals hatte ein Selbstmordattentäter mitten in Kabul sein mit Sprengstoff beladenes Taxi in einen Bus gesteuert.

Mit der hinterhältig gelegten Bombe von Kundus war gerechnet worden – nicht unbedingt dort, aber irgendwo. Keine 48 Stunden zuvor hatte der stellvertretende US-Außenminister John Negroponte noch von einem zu erwartenden Strategiewechsel der Taliban gesprochen; die USA hätten Hinweise auf geplante Selbstmordanschläge und Attentate durch am Straßenrand platzierte Bomben. Die zu allem entschlossenen fundamentalistischen Terrorkämpfer mischten sich zudem zunehmend unter die Zivilbevölkerung.

Für die Bundeswehr bedeutet der Anschlag von Kundus, dass sie sich von ihrem Ursprungsziel ein weiteres Stück entfernt hat: Aus ihrem vermeintlich friedensstiftenden Einsatz am Hindukusch, bei dem mit militärischem Flankenschutz der Aufbau der afghanischen Zivilgesellschaft vorangetrieben und so letztlich auch für die Sicherheit in Deutschland gesorgt werden sollte, droht schleichend ein Kriegseinsatz zu werden. Nur – der Krieg gegen den Terror, das zeigt das weltumspannende Mandat „Enduring Freedom“, ist mit militärischen Mitteln allein nur schwerlich zu gewinnen.

Der furchtbare Tod der deutschen Soldaten muss nicht prompt zu einer Neubewertung der Afghanistanpolitik führen. Aber Fragen wird man stellen dürfen, das ist auch an so einem Tag nicht pietätlos. Die am schwierigsten zu beantwortende Frage wird langfristig sein: Wer definiert deutsche Sicherheitsinteressen – und vor allem: wie? Denen, die im Zweifel ihr Leben einsetzen, muss erklärt werden, welchen Sinn es hat, ein Land stabilisieren zu wollen, das viele bereits an der Schwelle zur Unregierbarkeit wähnen. Die Antwort darauf sollte sich niemand zu leicht machen. Wer am Hindukusch vermeintlich Deutschlands Sicherheit verteidigt, hat ein Recht darauf, dass Fatalismus und Leichtfertigkeit dabei keine Rolle spielen.

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