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Krise in Myanmar: Europa trägt Mitschuld am Massaker an den Rohingya

Die Rohingya werden in Myanmar systematisch verfolgt. Die EU muss auf dem heutigen Rat der Außenminister unterstreichen, dass sie die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen will. Ein Gastkommentar.

Als „Musterbeispiel für ethnische Säuberung“ bezeichnete der UN-Menschenrechtskommissar die derzeitige Welle von Vergewaltigung, Mord und Vertreibung an den muslimischen Rohingya durch die Regierungstruppen Myanmars. Europa hat nun die Wahl, ob es stiller Beobachter bleibt oder aktiv seinen Einfluss nutzt, um gegen diese Gräueltaten vorzugehen.

Der überwiegende Teil der Dörfer im Bundesstaat Rakhine wurde seit Ende August dem Erdboden gleichgemacht. Mehr als eine halbe Million Rohingya sind bereits über die Grenze nach Bangladesch geflohen und täglich kommen Tausende hinzu. Unzählige Rohingya hungern, weil ihre Lebensgrundlagen zerstört wurden und ihnen humanitäre Hilfe verweigert wird. Das ist kein komplexer politischer Konflikt mit zwei gegnerischen Seiten. Das ist eine Vernichtungsaktion, die von einer Gruppe planmäßig gegen die andere durchgeführt wird.

Wenn es mit diesen Gräueltaten so weitergeht, werden alle Rohingya in Myanmar bis zum Monatsende getötet, gefangen oder vertrieben worden sein. Dies ist nicht die erste staatliche Unterdrückungsaktion gegen unser Volk. Seit einem Militärputsch im Jahr 1962 werden wir nicht mehr zu den offiziell anerkannten ethnischen Gruppen gezählt. Seitdem haben wir nach und nach die meisten unserer Grundrechte verloren: das Recht auf Bildung, medizinische Versorgung, Eheschließung, Freizügigkeit und sogar unsere Staatsangehörigkeit. An der Wahl im Jahr 2015, aus der Frau Aung San Suu Kyi siegreich hervorging, durften wir nicht teilnehmen.

Deutschland sollte diplomatische Verurteilung schicken

„Nutzen Sie bitte Ihre Freiheit, damit wir Freiheit erlangen“, bat Suu Kyi vor 20 Jahren, während der Militärherrschaft in Burma. Viele sind nun geschockt, dass die gegenwärtigen Gräueltaten vor ihren Augen geschehen können. Selbstverständlich müsste Suu Kyi dagegen protestieren und alles in ihrer Macht Stehende tun, um dem Einhalt zu gebieten, aber wir müssen auch einräumen, dass sie wenig Macht über das Militär hat. Angesichts dieses Zustands muss ich heute die Bitte von Aung San Suu Kyi an Europa gewandt wiederholen: Nutzen Sie bitte Ihre Freiheit, damit wir Freiheit erlangen.

Seit Suu Kyi Regierungschefin ist, hat Deutschland seine Unterstützung und Zusammenarbeit mit Myanmar verstärkt und in den letzten Wochen erheblich zur geleisteten humanitären Hilfe beigetragen. Gleichzeitig hat Deutschland aber 20 Jagdbomber an das Militär geliefert, das jetzt 1,3 Millionen Menschen auszulöschen versucht. Indem Deutschland Waffen anstelle einer diplomatischen Verurteilung geschickt hat, wurde mehr für das Leid getan als dagegen.

Noch bevor Suu Kyi ihr Amt antrat, unterstützte die EU im Jahr 2012 das Militär und dessen „Reformen“ und hob die Sanktionen trotz anhaltender Angriffe auf mein Volk auf. Die EU hat an unserer Unterdrückung mitgewirkt, indem sie den Begriff „Rohingya“ auf Verlangen der Regierung nicht mehr verwendet hat, indem sie die Volkszählung und Wahl unterstützt hat, von der wir ausgeschlossen waren. Die EU hat es bisher in jeder Hinsicht versäumt, unsere Rechte zu verteidigen.

Den Verantwortlichen muss klar gemacht werden, dass sie zur Verantwortung gezogen werden

Beim Rat der Außenminister am 16. Oktober haben die Minister Gelegenheit, daran etwas zu ändern. Sie sollten Waffenverkäufe und militärische Ausbildungsmaßnahmen einstellen, für ein weltweites Waffenembargo und die Wiedereinsetzung der UN-Menschenrechtsresolution in Myanmar eintreten. Und sie müssen den Verantwortlichen vor Augen führen, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden, und zwar schmerzhaft.

Die Rohingya müssen wieder zurückkehren können. Nicht in Lager, sondern in ihre Dörfer – mit Rechten und in Würde. Wenn Europa jetzt spricht und handelt, besteht die Chance, die ethnische Säuberung zu beenden, bevor auch noch die letzten Rohingya in Myanmar getötet, gefangen genommen oder vertrieben werden.

Tun Khin ist Präsident von BROUK, einer Organisation, die sich international für die Rechte der Rohingya in Myanmar starkmacht

Tun Khin

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