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Politik: Kritik ist unerwünscht

Polens Premier will die Vergangenheit aufarbeiten – und wird dabei immer autoritärer

Polens Premier Jaroslaw Kaczynski tritt neuerdings bevorzugt in Strickjacke vor die Kameras. Vielleicht solle dies seiner Erscheinung einen milden Anstrich verleihen – denn seine jüngsten Entscheidungen waren ziemlich hart. Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski und Innenminister Ludwik Dorn mussten nach Unstimmigkeiten mit dem Regierungschef zurücktreten. Roman Kuzniar, der Direktor des Polnischen Instituts für Außenpolitik musste nach seiner Kritik an der möglichen Stationierung eines US-Raketenschilds seinen Hut nehmen. Ersetzt wurden die profilierten Köpfe durch Personen, die dem Premier und dessen Bruder, Präsident Lech Kaczynski, vermutlich widerspruchslos zuarbeiten werden.

„Die polnische Elite unterstützt die Regierungspolitik zu wenig“, klagte der Regierungschef jüngst. Kritik an seinem Verhalten ist unerwünscht. „Premier Jaroslaw Kaczynski ist sehr, sehr demokratisch gewählt worden und er darf entscheiden!“ – betonte so auch der Politiker Joachim Brudzinski von der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (Pis) im polnischen Fernsehen.

Vor ihrer Wahl im Herbst 2005 hatten die Kaczynski-Brüder eine moralische Revolution und den Kampf gegen die „roten Netzwerke“ in der Gesellschaft angekündigt. Ersteres mutet durch die vielen Skandale der Koalitionspartei „Selbstverteidigung“ unwahrscheinlich an. Umso mehr konzentriert sich der Premier auf die Aufarbeitung der Tätigkeit der „polnischen Stasi“, des Inlandsgeheimdienstes SB. Durch Umstrukturierung in den Ministerien nach den beiden Entlassungen erhält die Staatsanwaltschaft mehr Zugriffsrecht auf brisante Polizeidokumente; im Verteidigungsministerium werde eine „Säuberung“ der alten Kader rascher umgesetzt, so das Magazin „Polityka“. Ab dem ersten März sollen zudem etwa 400 000 Polen, die ein öffentliches Amt bekleiden, auf Geheimdienstkontakte überprüft werden. Diese „Durchleuchtung“ wird sich laut Beobachtern technisch kaum bewältigen aber die Stimmung permanenter Verdächtigung weiter gedeihen lassen.In Polen selbst wird das zum Teil beunruhigt gesehen. Ex-Außenminister Wladislaw Bartoszewski sagte anlässlich zur Feier seines 85. Geburtstags am Mittwoch: „Europa braucht keinen inkompetenten, hysterischen und unberechenbaren Bündnispartner.“

Jens Mattern[Warschau]

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