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Zivil. Raúl Castro pflegt einen anderen Stil als sein Bruder Fidel.

© REUTERS

Kuba: Ein bisschen Kapitalismus

In Kuba debattierte am Samstag der Parteikongress über die Wirtschaftsreformen von Raúl Castro. Selbst Fidel Castro war nicht davon begeistert, dass sich Kubas Volkswirtschaft an China und Vietnam orientieren soll.

50 Jahre ist er her, der Sieg der kubanischen Revolutionäre in der Schweinebucht über die von den USA unterstützten Invasoren. Fidel Castro stellte damals den „sozialistischen Charakter“ der kubanischen Revolution heraus. Doch die ist nun in die Jahre gekommen: Kubas Infrastruktur ist veraltet, eine korrupte und schwerfällige Bürokratie macht das Leben zum Hindernislauf, Misswirtschaft und mangelnde Motivation haben den „Errungenschaften“ im Gesundheits- und Bildungsbereich zugesetzt. Spannender als das patriotische Säbelrasseln dürfte deshalb der 6. Parteikongress der Kommunistischen Partei werden, der am Samstag mit einer Militärparade begann.

Mehrmals wurde der seit Jahren überfällige Parteitag verschoben – die Erkrankung Fidels, die Kurskorrektur unter seinem Bruder Raúl, der erst einmal seine Macht festigen und dann die nach seiner Sicht notwendigen Änderungen in Angriff nehmen musste – all das brauchte Zeit. Nun werden also bis Dienstag die 1000 Delegierten in Havanna den neuen Kurs absegnen. Und der bringt eine „kleine Revolution in der Revolution“. Erstmals seit 1965 wird voraussichtlich der erste Generalsekretär des Politbüros nicht mehr Fidel, sondern Raúl heißen. Damit bahnt sich zwar kein Generations- aber ein Stilwechsel an.

Das Parteiorgan „Granma“ gab den Tenor vor: Nach Jahren des Paternalismus und des Missmanagements müssten die Aufgaben von Staat und Unternehmen getrennt werden, schrieb es. Nur dann könnten beide Institutionen gestärkt werden. „Die exzessive Kontrolle des Staates in paternalistischer Art hat die Unternehmen unverantwortlich gemacht, sie zu fachfremden Aktivitäten verleitet, sie schwerfällig gemacht und zu Verlusten geführt. Und: „Die aktuellen Umstände lassen uns keine Wahl und dulden keinen Aufschub: Entweder nehmen die Dinge ihren Lauf, oder wir stürzen in den Abgrund.“ Eine so drastische Zusammenfassung der Wirtschaftsmisere haben sonst nur „konterrevolutionäre“ Regimegegner und „ausländische Medien“ gewagt. Vorsichtshalber wurden von der Polizei zahlreiche Oppositionelle zum Auftakt des Parteitages vorübergehend festgenommen.

95 Prozent der Kubaner arbeiten in knapp 4000 staatlichen Betrieben, viele davon sind unrentabel. Erfolgreich sind Mischbetriebe und Joint-Ventures, die sich in den vergangenen Jahren vor allem im Tourismussektor etabliert haben. Nun soll aus dem Sozialismus eine Art Staatskapitalismus werden, wenn es nach Raúl geht, dem Pragmatiker der beiden Castro-Brüder. Die Selbstverwaltung der Firmen ist ein wichtiger Teil der Reformen. Weitere sind die Dezentralisierung, mehr Freiräume für Klein- und Familienunternehmen, eine größere Konsumfreiheit, Entlassungen im Staatssektor, Kürzungen bei den Subventionen. Wenn es nach der Bevölkerung ginge, müssten weitere Schranken fallen, etwa das Verkaufsverbot von Häusern und Autos. Auf der anderen Seite gibt es Widerstand der Bürokratie und einiger Kader gegen den Reformkurs. Selbst Fidel Castro, so heißt es, habe ihn nur widerwillig akzeptiert. Eine Gratwanderung also für Raúl, der sich China und Vietnam zum Vorbild genommen hat.

Seit über einem Jahr werden die Reformen tröpfchenweise von Raúl verkündet und in Volksversammlungen erklärt. Raúl geht es darum, den Sozialismus zu retten. Inwieweit unternehmerische Freiheiten mit ihm vereinbar sind, muss wohl die Nachfolgegeneration entscheiden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, dem wichtigsten Wirtschaftspartner, gab es schon einmal ein „wirtschaftliches Tauwetter“. Die „Kleinkapitalisten“, die damals die egalitäre Gesellschaft infrage stellten, missfielen Fidel Castro jedoch, und so wurden die Reformen bald wieder abgewürgt.

Sandra Weiß

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