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Politik: Kundschafter des Todes

Steven Smyrek soll aus israelischer Haft freikommen, der deutsche Muslim hält sich dennoch für einen Märtyrer

Der Pass war vielleicht so etwas wie seine Eintrittskarte. Denn mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen sieht Steven Smyrek nicht nur aus wie ein Deutscher, er ist auch einer. So jemanden konnte die Hisbollah gut gebrauchen – zunächst als unauffälligen Kundschafter geeigneter Orte für Selbstmord-Anschläge in Israel. Bis Steven Smyrek, der unter Beobachtung verschiedener Geheimdienste stand, 1997 am Flughafen von Tel Aviv verhaftet und zwei Jahre später zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Jetzt kommt der 1971 in Detmold geborene Smyrek frei. Nach langen Verhandlungen unter deutscher Vermittlung haben sich Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz auf einen Gefangenenaustausch geeinigt. Bis zum Freitag sollen gut 400 arabische Häftlinge, aber auch Smyrek als einziger Deutscher, gegen den israelischen Geschäftsmann Elhanan Tannenbaum und die Leichen dreier israelischer Soldaten ausgetauscht werden.

„Selbstbewusst, locker, nett“

Wie gerät ein junger Deutscher in den Zwanzigern in das Netz einer radikal-islamischen Terror-Organisation? Der Dokumentarfilmer Eric Friedler hat sich über mehrere Jahre hinweg mit dem Fall Steven Smyrek befasst. Seinen Film „Für Allah in den Tod“, strahlte die ARD zu Jahresbeginn aus (Wiederholung am 9. März, 23 Uhr, im NDR-Fernsehen). Friedler sagt, es sei „penetrante Arbeit“ gewesen, die Genehmigungen für einen Besuch Smyreks einzuholen. Doch am Ende saßen sich Friedler und Smyrek im Hochsicherheitsgefängnis in Aschkelon gegenüber – Smyrek in Fußfesseln und Handschellen. „Er schien mir sehr selbstbewusst, locker, immer nett“, sagt Friedler. „Er wollte ein Märtyrer sein.“

Auf den Islam aufmerksam geworden sein soll Smyrek ausgerechnet beim Jobben in einer Herforder Pizzeria, nachdem er sich als Kleinkrimineller in der Drogenszene und mit mehreren kurzen Haftstrafen hervorgetan hatte. Der Zusammenhalt in der Familie des strenggläubigen türkischen PizzeriaChefs gefiel ihm. Smyrek, das vernachlässigte, vom Ziehvater verprügelte Scheidungskind, soll sich zum ersten Mal wirklich aufgehoben gefühlt haben. Vorher, so beschreiben ihn Bekannte in Friedlers Film, soll er meistens unruhig und nervös gewesen sein. Erst der Islam schien dem jungen Mann Selbstsicherheit gegeben zu haben. Nach und nach lernte er zu verzichten. Dabei hatten Drogen, Alkohol und Geld in seinem Leben einmal eine große Rolle gespielt.

Bereit zum Töten und Sterben

Irgendwann soll sich Steven Smyrek in der Moschee nach der Hisbollah erkundigt haben. Über einen Mittelsmann, dessen Aufgabe es gewesen sein soll, westliche Moslems zu rekrutieren, lässt er sich zur Ausbildung in den Libanon verschicken.

Durch Smyreks Leben ziehen sich Klischees wie aus dem Lehrbuch für Psychologie. Es ist die Geschichte eines Haltlosen, der in den streng hierarchischen, auf Befehl und unbedingten Gehorsam basierenden Strukturen einer radikalen Organisation offenbar mühelos Fuß fassen konnte und bereit war, zu töten und sterben. „Wir müssen alle einmal sterben, und um die Auszeichnung eines Schahid, eines Märtyrers zu erhalten, würde ich mein Leben geben. Für die Sache, für den Islam, für Allah“, sagte er im Gespräch mit Friedler.

Eric Friedler, der auch im Umfeld Smyreks ausführlich recherchiert hat, hält es für denkbar, dass Smyrek nach der Freilassung seine Kontakte zu der islamischen Terrororganisation wieder aufnehmen wird. „Niemand weiß wirklich, was er tun wird“, sagt Friedler. Nur, dass Smyrek, der im Hochsicherheitsgefängnis von Aschkelon arabisch gelernt hat, wieder in der Herforder Pizzeria arbeiten wird, ist unwahrscheinlich.

Esther Kogelboom

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