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Politik: Kurswechsel bei der FDP: das Papier zur Wende gibt es schon

Guido Westerwelle lehnt sich zurück und blickt ins Ungefähre. Jetzt bloß nichts Falsches antworten!

Von Robert Birnbaum

Guido Westerwelle lehnt sich zurück und blickt ins Ungefähre. Jetzt bloß nichts Falsches antworten! "Ich unterstütze Wolfgang Gerhardt", sagt er. Eigentlich selbstverständlich, dass ein Generalsekretär den Vorsitzenden seiner Loyalität versichert. Aber seit Jürgen Möllemanns Triumph in Nordrhein-Westfalen hat der Satz Nachrichtenwert. Und spätestens seit der SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement den zum Senkrechtstarter avancierten Fallschirmspringer in demonstrativer Freundlichkeit empfangen hat, hat das Geraune um Gerhardt wieder angefangen. Wenn Sozial-Liberal die Zukunft gehört - ist dann nicht der amtierende FDP-Chef ein Mann der Vergangenheit?

Gerhardt hat ein Problem, an dem er selbst nicht unschuldig ist: Er steht für viele auch in der eigenen Partei für das Bündnis der FDP mit der CDU. Dabei war er im Hintergrund an den jüngsten Lockerungsübungen sehr wohl beteiligt. Doch sichtbar vollzogen haben den Schwenk andere: Eben Möllemann - und Westerwelle, der nicht zufällig im nordrhein-westfälischen Landesverband beheimatet ist. Nicht zufällig auch hat der General direkt nach der NRW-Wahl ein sozialpolitisches Papier für den Parteitag im Juni in Nürnberg präsentiert, in dem ungewohnte Töne angeschlagen werden. Die einstige "Partei der Besserverdienenden" wirbt plötzlich für "Nächstenliebe und Herzensbildung", wendet sich an die Verlierer von Globalisierung und modernen Zeiten.

Der Kurswechsel kommt nicht von ungefähr. Schon als die FDP noch in der Regierung mit Helmut Kohl saß, war Westerwelle bei den Christdemokraten sozialliberaler Umtriebe verdächtig. Nach der Wahlniederlage im Herbst 1998 verkündete er "FDP pur" - es folgte eine Niederlage nach der nächsten. Jetzt spielt der Windhund Möllemann den Minenhund und vollzieht koalitionspolitisch nach, was in "FDP pur" logisch angelegt war: Eine eigenständige FDP ist nicht auf einen Partner festgelegt. Allenfalls muss sie ihr eigenes Profil anpassen - weg von der reinen Steuersenkungspartei, hin zur "liberalen Volkspartei" (Möllemann).

Was Wunder, dass in der FDP-Spitze Unruhe ausgebrochen ist. Was könnte die neuen Optionen schließlich besser verdeutlichen als ein neues Gesicht an der Spitze? Aufmerksam wird in Gerhardts Umkreis registriert, dass der Schleswig-Holsteiner Wolfgang Kubicki Westerwelle einen "geeigneten Kandidaten" für den Vorsitz nennt. Möllemann und Kubicki sind dicke Freunde. Und Westerwelle? "Geschlossenheit" gibt der Generalsekretär als Parole aus, und "keine Personaldebatte". Aber kann er auf Treu und Glauben versichern, dass er nicht beim nächsten Wahlparteitag Gerhardt herausfordern wird? "Ich werde im Jahr 2001 nicht gegen Wolfgang Gerhardt antreten", sagt Westerwelle. "Diese Frage wird sich auch gar nicht stellen." Diesen Satz sollte man sich sehr gut merken.

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