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Politik: Kurt Bodewig: Mit dem Fahrrad auf der Autobahn

Kurt Bodewig ist Fahrradfahrer, zumindest gelegentlich. Das macht es einfacher.

Kurt Bodewig ist Fahrradfahrer, zumindest gelegentlich. Das macht es einfacher. Der SPD-Verkehrsminister, zuständig auch für Bau- und Wohnungswesen, kann es sich leisten, sich quer zum grünen Koalitionspartner zu stellen, ohne unter Ideologie-Verdacht zu geraten. Wie beim Tempolimit: "Begrenzungen müssen nachvollziehbar sein", forderte er am Sonntag. Und erteilte Forderungen, die für 2003 geplante LKW-Maut auf Fernstraßen auszudehnen oder Pkw einzubeziehen, eine Absage.

Ein Mann des Maßhaltens, in jeder Richtung. Ein wenig erinnert der 45-Jährige an einen Oberstudiendirektor. Die Schultern angezogen, die Hände aneinander reibend, schaut er durch ovale Brillengläser auf seinen Besuch. Seit rund einhundert Tagen erst ist Bodewig Minister, und das Amt ist noch ein wenig fremd. Sein Vorgänger, Reinhard Klimmt, hatte sich gerade eingearbeitet, als er recht plötzlich zurücktreten musste. Kurt Bodewig, vordem parlamentarischer Staatssekretär bei Klimmt, rückte über Nacht auf. Er ist die "Neue Mitte" der SPD in Person. Er findet "ideologische Debatten unproduktiv", ist undogmatisch, sachorientiert und arbeitet gern im Team. "Ein Managertyp", nennt ihn Albert Schmidt, Verkehrsexperte der Grünen und Mitglied des Aufsichtsrats bei der Bahn AG. Schmidt hat sich schon um die maroden Gleisanlagen der Bahn und eine zukunftsfähige Verkehrspolitik gesorgt, als Bodewig noch Abteilungsleiter beim DGB Landesbezirk Nordrhein-Westfalen war. Verkehrspolitik war auch nicht Bodewigs Thema, als er 1998 für die SPD in den Bundestag zog. Er arbeitete zunächst mit Ulla Schmidt, mittlerweile Gesundheitsministerin, an den SPD-Positionen zur Rentenreform. Im Frühjahr 2000 wurde er zum Staatssekretär im Verkehrs- und Bauministerium berufen und befasst sich seitdem mit Plattenbauten und Bahnpleiten. "Er ist beratungsfähig", sagt einer aus seinem Hause. Bodewig höre sich die Argumente an, entscheide dann aber flott selbst. Probleme sind führ ihn da, sie zu beseitigen. Je schneller desto besser. Nicht um jeden Preis, wie er in den laufenden Verhandlungen mit Bahn-Chef Hartmut Mehdorn und Finanzminister Hans Eichel über die zukünftige Finanzierung der staatseigenen Bahn AG zeigt. Das braucht Zeit, schließlich muss das Ergebniss für Jahre halten. Die Bahn muss zum Teil mit einigen Milliarden aus der Staatskasse saniert werden. Aber Mehdorn habe auch eine Bringschuld, findet Bodewig. Und selbst wenn er die Bahn für ein tolles Verkehrsmittel für Mensch und Güter hält, heißt das für ihn noch lange nicht, dass die Bahn grundsätzlich das beste, ökologischste, zukunftsträchtigste Verkehrsmittel ist.

Unideologisch will Bodewig auch die Debatte über die sanierungsbedürftigen Strecken der Bahn führen. Ohne Vorbehalte nimmt er das Wort Wettbewerb in den Mund und denkt daran, Netz und Betrieb der Bahn zu trennen. Das fordern Verkehrswissenschaftler, Bahnfreaks und vor allem die Grünen seit Jahren. Denn nur wenn das Schienennetz unabhängig von dem Verkehrsunternehmen Bahn AG betrieben wird, können private Bahngesellschaften in begrenzten Regionen die für die Bahn AG unrentablen Strecken übernehmen - und lukrativ benutzen, wie Privatbahnen zwischen Bremervörde und Lenggries zeigen. "Wir müssen Instrumente entwickeln, die Zukunft haben", sagt Bodewig und seine braunen Augen leuchten dann durch die kleinen Brillengläser. "Wir können jetzt gestalten", meint der frische Minister und zieht wieder einmal die linke Augenbraue nach oben.

Doch noch etwas mehr Wille zur Gestaltung und Konzeption könnte Bodewig nicht schaden, findet Verkehrspolitiker Schmidt. "Er hat keine Perspektive, wo es hingehen soll", sagt Schmidt. In einer mobilen Gesellschaft müsse man doch mal ein "zivilisatorisches Leitbild" für eine Verkehrspolitik entwickeln. Vielleicht ist es dafür noch zu früh. Bodewig fehlt allerdings auch das verkehrspolitische Know-how der SPD-Fraktion. Nicht, dass die Abgeordneten es ihm vorenthalten, schließlich war die Fraktion geradezu euphorisch bei seiner Ernennung zum Minister. Aber seitdem der Verkehrsexperte der Fraktion Christoph Zöpel Staatssekretär im Auswärtigen Amt wurde, hat sich die Fraktion das Terrain noch nicht wieder zu eigen gemacht. Ihre ehemalige verkehrspolitische Sprecherin Angelika Mertens hat Bodewig als Parlamentarische Staatssekretärin zu sich ins Ministerium geholt. "Die geborene Verkehrspolitikerin ist die aber auch nicht", sagt ein Verkehrsexperte.

Also bleibt das eigene Haus, das - wie Bodewig findet - ein tolles Ministerium ist. Und es bleiben die Impulse aus dem Kanzleramt. Die können keine verkehrspolitische Leitidee ersetzen - aber sie können den Transrapid nach China befördern. Und sie können die 200 Millionen Mark Unterstützung für den Bau der Magnetschwebebahn von der Bahn AG abziehen und den Transrapidunternehmen zuschustern.

Ulrike Fokken

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