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Labour-Parteitag: Gordon Brown vor der Rede seines Lebens

Selten war ein britischer Premier so unbeliebt wie Gordon Brown – auf dem Labour-Parteitag muss er die Rede seines Lebens halten.

Von Markus Hesselmann

Reden sind nicht Gordon Browns Stärke. Also schreibt der wenig charismatische britische Premierminister lieber erst einmal einen Brief. Per Post wandte sich Brown jetzt an die Abgeordneten der von ihm geführten Labour-Partei. Vor dem Parteitag will Brown die Reihen schließen, damit es am Wochenende und Anfang nächster Woche in Manchester nicht zum großen Showdown seiner erst einjährigen Regierungszeit kommt. „Wir können diese schwierigen Zeiten überstehen“, schrieb Brown laut der Zeitung „The Guardian“ an seine Parteifreunde. Man müsse sich in der Labour-Partei auf gemeinsame Werte zurückbesinnen.

Am Dienstag aber muss Brown eine Rede halten, eine große Rede, die Rede seines Lebens, da sind sich die Kommentatoren auf der Insel einig. Denn vor allem in seiner Person fokussiert sich die Unzufriedenheit der Wähler mit der Labour-Regierung. Selten war ein Premierminister so unbeliebt. Sogar im eigenen Lager: Eine E-Mail-Umfrage im Auftrag der Zeitung „The Independent“ ergab, dass 54 Prozent der Parteimitglieder und -unterstützer nicht von Gordon Brown in die nächste Unterhauswahl geführt werden wollen. Außerdem ergab die Umfrage für Brown niedrigere Sympathiewerte als für fast jedes andere Mitglied seines Kabinetts. In den landesweiten Umfragen liegen Brown und die Labour- Partei ohnehin seit Monaten weit hinter den Konservativen mit ihrem Chef David Cameron zurück.

Browns Berater dürften bei ihrer Parteitagsstrategie niemand anderen als den Herausforderer als Vorbild vor Augen haben. Cameron gelang vor einem Jahr auf dem Tory-Parteitag in Blackpool in schwieriger Lage die Wende. Seine frei gehaltene, die Flügel der Partei klug einbindende Rede, verbunden mit einigen gezielten finanzpolitischen Vorschlägen jagten Brown und den Seinen eine solche Angst ein, dass sie vom festen Vorhaben zurückschreckten, bald eine Unterhauswahl ausrufen zu lassen. Mit diesem Zaudern begann der Niedergang des nur für kurze Zeit populären Regierungschefs.

Es mag paradox klingen, doch die Eskalation der Bankenkrise könnte Gordon Brown helfen. „Die Rufe nach einer Herausforderung des Parteiführers dürften zurückgewiesen werden, weil das in Zeiten der Wirtschaftskrise allzu selbstfixiert wirken würde“, heißt es in einer Parteitagsvorschau des Senders BBC. Stattdessen könne Brown jetzt seine große Erfahrung als Wirtschaftspolitiker ausspielen. Brown hatte zehn Jahre lang als Schatzkanzler unter Tony Blair gedient, den er dann im Sommer 2007 als Regierungschef ablöste.

Eine Pressekonferenz mit Georgiens Premier Wladimir Gurgenidse nutzte Brown denn auch nicht nur für Treueschwüre für das Kaukasusland, sondern auch für eine Botschaft an Wähler und Parteitagsdelegierte: Er habe für die britische Wirtschaft „entscheidend gehandelt“, indem er sich für die Übernahme der angeschlagenen Großbank Halifax durch Lloyd’s eingesetzt und sogenannte Börsenwetten auf fallende Aktien verboten habe. Er werde nun mit den internationalen Partnern über weitere Maßnahmen zur Stabilisierung sprechen.

In einem Interview mit dem Sender „Sky News“ befasste sich Brown dann mit seinen Kritikern. Mit der Attitüde des schwer beschäftigten Regierungschefs spielte er die Umtriebe eines Dutzends abtrünniger Abgeordneter herunter: „Ich lasse mich nicht ablenken durch einige Leute, die sich beschweren“, sagte Brown. „So ist Politik. Ich kümmere mich um die Regierungsgeschäfte.“

Der Versuch, vor dem Parteitag eine Abstimmung über Browns Führungsposten in Gang zu bringen, scheint jedenfalls fürs Erste gescheitert. Labours Nationales Exekutivkomitee lehnte einen entsprechenden Antrag in der vergangenen Woche ab. Die „Independent“-Umfrage aber ergab, dass 57 Prozent der befragten Labour-Getreuen für die Neuwahl des Parteichefs sind. Ihr Favorit anstelle Browns: Außenminister David Miliband – allerdings auch nur mit einem Viertel der Stimmen.

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