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Politik: „Länder könnten auf Rechte verzichten“

Der Stuttgarter Ministerpräsident Teufel über den Föderalismus-Streit und die mögliche Neuverteilung der Steuern

Sie sind Vertreter der Länder im EUKonvent. An diesem Freitag reden die Ministerpräsidenten über das Thema, parallel dazu laufen die Gespräche zur Föderalismusreform. Wird die künftige EU-Verfassung denn Raum lassen für das von Ihnen geforderte Mehr an Eigenverantwortung für die Länder?

Den Ländern ist ihre Eigenverantwortung im Grundgesetz garantiert. Hier darf die EU nicht eingreifen. Das wird in der neuen Europäischen Verfassung verankert werden müssen. Die Länder behalten ihre Zuständigkeiten, weil Europa sich nicht um tausend Dinge, sondern um die richtigen Aufgaben kümmern muss. Europäische Aufgaben sind alle Probleme, die über die Kraft des Nationalstaates hinausgehen: Außen- und Sicherheitspolitik, internationale Terrorismusbekämpfung‚ Währungspolitik, Außenhandelspolitik, Wettbewerbspolitik im Binnenmarkt, grenzüberschreitende Umweltpolitik, Großforschungspolitik.

Sind die Vorschläge des Bundes zur Bund-Länder-Reform eine akzeptable Grundlage?

Nein. Die Vorstellungen von Bund und Ländern gehen weit auseinander. Nach den konstruktiven und auf Kompromiss angelegten gemeinsamen Vorarbeiten aller Länder war für mich die einseitig zentralistische Positionierung des Bundes enttäuschend. Statt durch Stärkung der Gestaltungsrechte der Länder Bürgernähe und Effizienz staatlichen Handelns zu verbessern, fordert die Bundesregierung noch mehr Macht für den Bund. Ein solcher Kurs in einen Berliner Zentralismus ist für mich nicht akzeptabel.

Der Bund will Deutschland durch die Föderalismusreform „europatauglicher" machen. Das ist doch eigentlich keine schlechte Idee?

Die Länder sind offen für alle Vorschläge der Bundesregierung, die den Bundesstaat auch mit Blick auf Europa effizienter machen. Deswegen haben wir ja vorgeschlagen, auf die Rahmengesetzgebung des Bundes zu verzichten. So könnte in wichtigen Bereichen eine Gesetzgebungsebene ganz gestrichen und die Umsetzung von EU-Recht erheblich erleichtert werden.

Die Länder wollen auf bestimmten Feldern nach eigenen Vorstellungen von Bundesgesetzen abweichen dürfen. Der Bund sieht darin die Gefahr der Rechtszersplitterung.

In ihrer Stellungnahme kommt ein gravierendes Missverständnis der Bundesregierung über die Staatlichkeit der Länder zum Ausdruck. Die Länder leiten ihre Staatlichkeit nicht vom Bund ab. Dies bringt es mit sich, dass die Länder zu Recht eigene, verfassungsrechtlich abgesicherte Gesetzgebungsbefugnisse einfordern. Sie können sich nicht mit Gestaltungsrechten zufrieden geben, die ihnen nur im Einzelfall und abhängig vom Wohlwollen und der Bereitschaft des Bundes zugestanden werden. Das Übergewicht des Bundes gerade bei der Gesetzgebung entspricht nicht der Idee des Grundgesetzes von früher. Es entspricht aber auch nicht den sachlichen Erfordernissen und den Erwartungen der Bürger von heute. Im Übrigen stimme ich der schönen Formulierung des Bundespräsidenten zu: Der Rahmen bei Rahmengesetzen des Bundes ist so breit, dass man das Bild nicht mehr sieht.

Warum wollen die Länder nicht, dass der Bund beim Verbraucherschutz allein bestimmt?

Es ist meines Erachtens noch viel zu früh, über einzelne Kompetenzen zu sprechen. Dies gilt zumal dann, wenn die Spielräume des Bundes so massiv und völlig konturlos weiter ausgedehnt würden wie beim Verbraucherschutz. Stattdessen sollte der Bund offen über das von den Ländern vorgeschlagene Zugriffsrecht bei der konkurrierenden Gesetzgebung, also die Möglichkeit des Abweichens von Bundesgesetzen, und die Zustimmungsbedürftigkeit im Bundesrat reden.

Würden Sie denn weniger Zustimmungsrechte des Bundesrats akzeptieren?

Die Länder sind zu Zugeständnissen bei der Zustimmungsbedürftigkeit bereit, wenn die Bundesregierung umgekehrt ihren Widerstand gegen ein akzeptables Maß an Kompetenzen bei den Ländern aufgibt. Die Trennung und klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten darf keine Einbahnstraße zu Gunsten des Bundes sein.

Was spricht gegen mehr Mitsprache des Bundes in der Hochschulpolitik oder in der Bildungsplanung?

Weil dann alle Länder in der Pisa-Studie genauso schlecht abgeschnitten hätten wie die SPD-geführten Länder. Die Krise der staatlichen Ordnung in Deutschland ist auch das Ergebnis zentralistischer Zwangsvorgaben. Sie befördern Mittelmaß. Die Übertreibung des konsensualen Ausgleichs hat zu einem Übermaß an Uniformität geführt. Die Potenziale des Föderalismus liegen doch vor allem in der Offenheit für einen Wettbewerb der Ideen. Dies wird nirgends deutlicher als in der Bildungs- und Hochschulpolitik. Noch mehr Einmischung durch den Bund würde hier noch mehr Gleichmacherei und Mittelmaß bedeuten. Das will ich verhindern.

Sind die Länder bereit zu dem von der Bundesregierung gewünschten Steuertausch: Kfz-Steuer an den Bund, Versicherungsteuer an die Länder?

Ja, wenn bei der Verteilung nicht die eine Seite die andere über den Tisch zieht. Ich gehe noch weiter: Ich könnte mir vorstellen, dass eine Seite die Umsatzsteuer und die andere Seite die Einkommensteuer erhält.

Das Gespräch führte Albert Funk.

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