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Wo geht es zur Hauptstadt? Rebellen in der angeblich fast vollständig eroberten Küstenstadt Al Sawija vor einem Kreuzungsschild, das den Weg nach Tripolis anzeigt. Foto: Reuters

© REUTERS

Lage in Libyen: Rebellen kreisen Tripolis ein

Libysche Aufständische melden strategisch wichtige Erfolge.

Tripolis/Bengasi - Sechs Monate nach Beginn des Aufstandes in Libyen scheinen den Rebellen entscheidende Vorstöße in Richtung der Hauptstadt Tripolis gelungen zu sein. Gleichzeitig gibt es Berichte über angebliche Geheimverhandlungen zwischen Vertretern des Regimes von Muammar al Gaddafi und Rebellen in Tunesien, die Tripolis jedoch dementierte. Der libysche Innenminister Nasr Mabruk Abdallah ist am Montag zusammen mit einer Familie in einem Privatflugzeug und mit einem Touristenvisum in Ägypten eingetroffen, hieß es aus ägyptischen Sicherheitskreisen. Er habe bei seiner Einreise am Flughafen erklärt, er wolle in Ägypten Urlaub machen. Da dies in der aktuellen Lage eher unwahrscheinlich ist, liegt der Verdacht nahe, dass er sich abgesetzt hat.

Die Aufständischen brachten bis Montag nach Einschätzung libyscher Beobachter 80 Prozent der strategisch wichtigen Küstenstadt Al Sawija unter ihre Kontrolle. Seit dem Wochenende hatten in der für den Nachschub Gaddafis bedeutenden Stadt 40 Kilometer westlich von Tripolis Kämpfe getobt. Mit Garjan sollen die Rebellen auch die letzte noch von Gaddafis Truppen kontrollierte Stadt im Süden der Hauptstadt erobert haben, ebenso wie Surman auf dem Weg an die tunesische Grenze. Sollten die Rebellen diese Städte vollständig einnehmen, könnten sie Gaddafis Hochburg einkreisen. Damit würden sie nun einen Küstenstreifen westlich und östlich der Hauptstadt kontrollieren. Im Norden liegt das Mittelmeer, das durch eine Nato-Blockade abgeriegelt ist, im Süden ist Wüste. In einigen Vierteln der Hauptstadt Tripolis liefern sich Aufständische und Gaddafi-Truppen Schießereien.

Auf der tunesischen Ferieninsel Djerba haben sich Vertreter von Gaddafi und der libyschen Rebellen offenbar zu Geheimgesprächen getroffen. Die Gespräche hätten in der Nacht zum Montag unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in einem Hotel in Djerba stattgefunden, hieß es in tunesischen Sicherheitskreisen. Zuvor hätten am Sonntag bewachte Autokolonnen den nahe der Insel gelegenen Grenzposten Ras Dschedir zwischen Libyen und Tunesien passiert. Die tunesische Nachrichtenagentur TAP berichtete, die libyschen Minister für Gesundheit und Soziales, Ahmed Hidschasi und Ibrahim Scherif, sowie Libyens Außenminister Abdelati al Obeidi hätten sich am Sonntag auf Djerba aufgehalten. Es seien „Verhandlungen mit mehreren ausländischen Parteien“ im Gange. Ein Sprecher der libyschen Regierung dementierte die Berichte und sprach von Kriegspropaganda, um die Moral der Truppe zu schwächen. Er bekräftigte, dass Gaddafi nicht das Land verlassen werde. In Tunis kam der UN-Sondergesandte für Libyen zudem mit libyschen Vertretern zusammen.

Gaddafi rief unterdessen seine Anhänger erneut zur Befreiung des Landes „von Verrätern und von der Nato“ auf. In einer vom libyschen Fernsehen in der Nacht zum Montag ausgestrahlten Audiobotschaft ohne bewegte Bilder forderte er seine Anhänger auf, „an die Front und in die Schlachten zu ziehen, um Libyen Zoll für Zoll zu befreien“, wie der US-Sender CNN berichtete. „Seid bereit, unser süßes Land zu befreien.“ Vor allem in Tripolis und in Gaddafis Heimatstadt Sirte wehren sich seine Anhänger heftig gegen die Rebellen.

Die Oppositionszeitung „Al Manara“ meldete am Montag auf ihrer Website, in dem östlichen Küstenort Al Brega seien vier Rebellen getötet und 23 verletzt worden. Nach ihrem Rückzug aus Al Brega hätten sich die Gaddafi-Truppen darauf verlegt, Raketen von Sirte in Richtung Osten abzufeuern. Gefechte meldeten die Rebellen auch aus Nalut unweit der tunesischen Grenze.

„Ihr hört von mir trotz Beschusses“, sagte Gaddafi weiter. Nach zunächst unbestätigten Berichten hatten Kampfflugzeuge der Nato am Abend erneut Ziele in der libyschen Hauptstadt angegriffen. „Der Beschuss wird ein Ende haben, die Rebellen werden ein Ende haben, auch die Idioten in den Golfstaaten werden ein Ende haben, aber das Volk Libyens wird bleiben“, schloss Gaddafi.

Unterdessen mehren sich Berichte über Meinungsverschiedenheiten unter den Aufständischen. Ein Exil-Oppositioneller in der Schweiz sagte der dpa, die „Revolutionsjugend“ fordere die Absetzung von Abdulhafis Ghoga, dem Vize- Vorsitzenden des Übergangsrates der Rebellen in Bengasi. Ghoga habe sich nichts zuschulden kommen lassen, er sei ihnen jedoch „nicht sympathisch“. Via Internet riefen einige Aufständische zu einer Protestaktion gegen Ghoga auf. Ein Beobachter erklärte, in den kommenden Tagen sei möglicherweise mit der Festnahme eines Politikers in Bengasi zu rechnen. Auch eine Umbildung der vom Übergangsrat ernannten provisorischen Regierung sei nicht ausgeschlossen. Ende Juli war der Rebellenkommandeur Abdulfattah Junis ermordet worden. AFP/Reuters/dpa

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