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Protest. Israelische Soldaten drängen Palästinenser zurück, die im Westjordanland in Beit Omar nördlich der Stadt Hebron gegen den Siedlungsbau demonstrieren. Foto: Abed al Hashlamoun/dpa

© dpa

Politik: Land in Sicht

Netanjahu will jüdischen Siedlungsbau drosseln, um eine US-Vermittlungsmission nicht zu gefährden.

Kaum zwei führende Politiker auf der Welt sind sich physisch so nahe wie Israels Premier Benjamin Netanjahu und der palästinensische Präsident Mahmud Abbas. Ihre Amtssitze in Jerusalem und Ramallah sind kaum 25 Autominuten voneinander entfernt. Dennoch kamen sie sich in den vergangenen vier Jahren keinen Deut näher, im Gegenteil: Ihre Ausgangspositionen waren so weit voneinander entfernt, dass sie nicht nur einen Friedensvertrag, sondern auch nur die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen unmöglich erscheinen ließen. Doch das könnte sich jetzt ändern: Wie die Friedensgruppe „Peace Now“ und mehrere israelische Medien am Dienstag berichteten, fährt Netanjahu offenbar den Ausbau jüdischer Siedlungen im besetzten Westjordanland zurück.

Die Annäherung zwischen Abbas und Netanjahu geschieht zu einem Zeitpunkt, da sie sich parallel zu Staatsbesuchen in China befinden. Steter Druck aus Washington soll beide Seiten dazu gebracht haben, ihren Konfliktkurs aufzugeben.

Die Palästinenser beanspruchen das gesamte Westjordanland für ihren Staat und wollen nicht über eine Friedenslösung verhandeln, solange Israel mit dem Siedlungsbau neue Fakten schafft. Deswegen war die internationale Gemeinschaft im November so über Netanjahu verärgert, als der den Bau tausender Wohneinheiten im Westjordanland bekannt geben ließ, nachdem die Palästinenser einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen erlangt hatten. Doch seit den martialischen Verkündungen ist vor Ort nichts geschehen. „Gewöhnlich veröffentlicht die Regierung alle drei Monate Ausschreibungen für Neubauten in den besetzten Gebieten“, sagte Hagit Ofran von der Friedensbewegung „Peace Now“, die seit Jahren Israels Siedlungsbau dokumentiert, der Nachrichtenagentur AFP. „Aber seit Jahresbeginn gab es keine neuen Ausschreibungen mehr.“ Der ehemalige Vorsitzende des Siedlerrats, Dani Dayan, sagte: „Es ist kein totaler Baustopp. Häuser, die bereits eine Baugenehmigung haben, werden zu Ende gebaut.“ Dennoch sei seit einem Zeitpunkt wenige Wochen vor dem Besuch von US-Präsident Barack Obama im März in Israel ein deutlicher Wandel spürbar: „Es werden keine neuen Genehmigungen erteilt, keine neuen Ausschreibungen veröffentlicht. Das muss eine Anweisung von ganz oben sein.“

Nach einem Bericht im Armeeradio bat Netanjahu Bauminister Uri Ariel, bis mindestens Mitte Juni keine neuen Bauaktivitäten im Westjordanland zuzulassen, um so die US-Vermittlungsbemühungen nicht zu hintertreiben. US-Außenminister John Kerry bereist die Region, um einen neuen Friedensprozess in Gang zu bringen. Einen ersten Erfolg verbuchte er vergangene Woche, als er Vertreter der Arabischen Liga dazu brachte, sich in Washington erneut zu einer Friedensinitiative von 2002 zu bekennen und Israel ausdrücklich erstmals einen Austausch von Gebieten in Aussicht zu stellen.

Die Zeit drängt. Netanjahu dürfte es schwerfallen, lange an einem Siedlungsbaustopp festzuhalten. Ein Großteil seiner Koalition sympathisiert mit den Siedlern. Habayit Hayehudi, einer seiner wichtigsten Koalitionspartner, lehnt die Idee eines Palästinenserstaats und die Räumung von Siedlungen kategorisch ab. So drohte Bauminister Ariel, der dieser Partei angehört, dass man gegen den neuen Staatshaushalt stimmen werde, wenn dieser die Bauvorhaben im Westjordanland „nicht völlig unterstützt, einschließlich der Baumaßnahmen, die vergangenen November infolge der unilateralen Handlungen der Palästinenser beschlossen wurden“.

Netanjahu, der große Kürzungen im Haushalt durchsetzen will, bleibt nur ein kurzes Zeitfenster für Gespräche mit Abbas, bevor er entweder die Palästinenser oder einen Koalitionspartner verprellen muss. Jedenfalls bot sich Peking schon einmal Abbas und Netanjahu als Vermittler an – für den Fall, dass sich die beiden in China treffen wollen.

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