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Politik: Landwirtschaft: Böse Verbraucher und schlaue Bauern

Das Weltbild ist unverrückt. Zumindest das von Gerd Sonnleitner, dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes (DBV).

Das Weltbild ist unverrückt. Zumindest das von Gerd Sonnleitner, dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Früh morgens hat er noch vor dem Landwirtschaftsministerium für mehr Subventionen für Rinderzüchter demonstriert. Wenig später berichtet er über Pferdetransporte "vom Ostblock nach Italien", propagiert weiterhin Eier aus Käfighaltung als gesünder und sieht Tierzüchter und Tierhalter in "einer Art Diktatur der Verbraucher". Auch ein Jahr nach der Landwirtschaftskrise als Folge der ersten BSE-Fälle hat der oberste Funktionär der deutschen Agrarlobby keinen Grund das System in Frage zu stellen.

Sonnleitner beschwört den Verbraucher als undankbares Wesen, das einzig billige Lebensmittel will und ein "einseitiges, verzerrtes, falsches Bild von der Landwirtschaft" pflegt. Aus Sicht des Bauernpräsidenten geht es sogar noch schlimmer zu. "Es gibt Leute und Institutionen, die mit falschen Bildern von der landwirtschaftlichen Tierhaltung Emotionen schüren und dies in höhere Spendenbereitschaft ummünzen wollen", hat er gestern auf dem Bauernverbands-Symposium "Perspektiven für nachhaltigen Tierschutz" behauptet und den Tierschutzbund gemeint. Der Beifall war Sonnleitner sicher, kamen doch die meisten Zuhörer aus Betrieben, die gemeinhin der Agrarindustrie zugerechnet werden und aus deren Lobby-Vereinigungen: Mastputen-Brütereien, Geflügelschlachtereien, Kreisbauernverband, Landesbauernverband und dem Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft.

Sonnleitner beschwört wieder und wieder den "Bauern", dem es wirtschaftlich nun so schlecht geht und der nun auch noch die Agrarpolitik von Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) fürchten muss. Und die Repräsentanten der industriealisierten Landwirtschaft lassen sich gern für die Bauern die Seele massieren und beschimpfen dann in deren Namen die Ministerin. Eines jedoch haben alle gemeinsam: Sie sorgen sich in der schlechten Konjunkturlage mit vier Millionen Arbeitslosen um den Absatz ihrer Puten, Hühner, Eier und Schweine. Denn auch Künast muss die schwindende Kaufkraft der Bevölkerung fürchten, schwindet dadurch doch die finanzielle Basis für die teureren Produkte mit dem Öko-Siegel. Das bislang wichtigste Projekt der Agrarministerin sollte ihr politisches Ziel - 20 Prozent Ökolandbau in zehn Jahren - energisch vorantreiben.

"Die Verbraucher können die Verbündeten der Bauern sein", sagt dagegen Künast und macht den Funktionären ein Angebot, gemeinsam den Weg zu einer besseren Position im Markt um landwirtschaftliche Produkte zu finden. "Begreifen Sie die Dinge nicht als Kritik und Beschimpfung sondern als Anregung zum Wettbewerb", fordert Künast die schimpfenden Tierhalter auf.

Mehr Wettbewerb schaffe auch Innovationen. Deshalb fragte Künast die sprachlosen Agrarindustriellen, warum sie nicht freiwillig kleinere Puten mit 25 Kilogramm Gewicht züchteten. Die handelsüblichen Puten mit bis zu 40 Kilogramm Gewicht können nicht mehr laufen. Ihr Brustkorb ist so schwer, dass sie umkippen, oder sich gleich die Beine brechen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte deswegen wochenlang gegen den Nahungsmittel-Konzern Unilever demonstriert und sogar Erfolg gehabt: Unilever kauft derartige Überzüchtungen nicht mehr. "Warum bieten Sie nicht das Produkt an", fragt Künast und fügt hinzu: "Seien Sie bauernschlau."

Ulrike Fokken

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