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Politik: Lange Befehlskette

Erst eine Stunde nach dem Kapern des Motorseglers begann in Frankfurt der Einsatz der Luftwaffe

Von Antje Sirleschtov

Wer vom Militär nicht viel versteht, hat die Nato bislang eher als ein Bündnis erlebt, das Kriseneinsätze in fernen Regionen besteht. Seit am Sonntag in Frankfurt (Main) ein Sportsegelflieger die Metropole gut zwei Stunden lang in Atem hielt, weiß man, dass auch die Überwachung des deutschen Luftraumes zu den Aufgaben der Nato – und nicht etwa nur der Bundeswehr – gehört.

Um 16 Uhr 09, so ließ Verteidigungsminister Peter Struck seinen Sprecher am Montag verkünden, sei der „nationale Entscheidungsträger“, ein Offizier der deutschen Luftwaffe, vom Gefechtsstand der Nato darüber informiert worden, dass ein Flugzeug in Frankfurt gekapert worden sei. Erst dann – gut eine Stunde nach dem Start des Motorseglers – habe eine Befehlskette eingesetzt, die zu einem Telefonat zwischen Struck, dem hessischen Innenminister Bouffier und Kanzler Gerhard Schröder geführt habe. Erst um 16 Uhr 44, so Strucks Sprecher, (Polizei und Einsatzkräfte in Frankfurt waren schon längst tätig geworden) hätten zwei Kampfjets „ersten Sichtkontakt mit dem Flieger“ gehabt. Wann und auf Grund welcher Informationen die Bundeswehr festgestellt hat, dass der Pilot des Fliegers kein Terrorist war und die Maschine nicht etwa fünf Kilogramm Antrax-Viren geladen hatte, wusste Strucks Umgebung am Montag noch nicht. „So ein Objekt richtet etwa den gleichen Schaden an wie ein VW“, spielte man die Gefahr herunter.

Auch die Information des Ministers, er selbst habe im Gespräch mit dem Kanzler die Entscheidung getroffen, das Flugobjekt nicht abzuschießen, beruhigt kaum. Denn eines wurde nach dem Vorgang deutlich: Auch 16 Monate nach dem 11. September 2001 gibt es bei der Bundeswehr noch kein klares Konzept und keine Richtlinien dafür, was geschehen muss, wenn irgendwo in Deutschland Flugzeuge unter Terrorverdacht starten oder kreisen. Zwar befasst sich eine interministerielle Arbeitsgruppe damit. Doch wann diese Gruppe ihre Arbeit mit welchen Ergebnissen beendet haben wird, das „ist noch völlig offen“, sagte Strucks Pressesprecher.

Struck forderte eine „geeignete“ Rechtsgrundlage, um notfalls Flugzeuge abschießen zu können. Man müsse auf eine solche Situation vorbereitet sein, sagte Struck. Zur Gefahrenabwehr dürfe man eine solche Möglichkeit nicht ausschließen, meinte der Minister. „Man muss abwägen, was passiert, wenn ein Flugzeug ein Hochhaus anfliegt mit terroristischem Ziel.“ Struck fügte hinzu: „Ich wünsche mir eine solche Entscheidungssituation nicht.“

Der Vorfall rückt auch die Sicherheit bei Privatfliegern in den Vordergrund. Während Großflughäfen fast wie Hochsicherheitstrakte gesichert sind, müssten Täter bei Kleinflughäfen in der Regel noch nicht einmal einen Zaun überwinden, um eine Maschine zu kapern.

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