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Politik: Lehmann rechnet mit weiteren Missbrauchs-Fälllen

Mainz. Nach den jüngsten Missbrauchs-Vorwürfen gegen katholische Priester rechnet der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, mit weiteren Enthüllungen.

Mainz. Nach den jüngsten Missbrauchs-Vorwürfen gegen katholische Priester rechnet der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, mit weiteren Enthüllungen. Die Verfehlungen Einzelner träfen eine Institution, die stets für Ordnung in sexuellen Beziehungen eintrete, schrieb Lehmann in einer Stellungnahme in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Viele, die die Moralansprüche der Kirche ohnehin beargwöhnen, sähen sich in ihren Urteilen bestätigt. „Wir müssen uns jetzt selbstkritisch fragen, ob es uns immer gelungen ist, dem Handlungsanspruch in einzelnen Fällen gerecht zu werden“, erklärte Lehmann. Der Kardinal forderte ein energischeres und effektiveres Vorgehen in Fällen von Missbrauch von Jungen und Mädchen.

Zugleich warnte der Bischof vor einer Vorverurteilung im Falle eines mutmaßlich pädophilen Priesters aus dem Raum Rüsselsheim. Der zuständige Staatsanwalt habe öffentlich darauf hingewiesen, dass die bisher vorgebrachten Vorwürfe „sehr dünn“ seien. Jedem Beschuldigten sollten das „Recht auf ein faires Gehör und eine peinlich genaue Untersuchung“ zugestanden werden. Am Montag versetzte das Bistum Essen einen Priester in den einstweiligen Ruhestand, weil er vor 22 Jahren einen Jungen sexuell missbraucht hatte. Der Missbrauch sei nach 22 Jahren strafrechtlich zwar verjährt, das mindere aber nicht die Schwere der Tat, hieß es in einer Erklärung des Bistums.

Auch Lehmann betonte, „dass eine rein strafrechtliche Behandlung im Falle solcher sittlicher Verfehlungen für die Kirche nicht genügen kann“. In der Vergangenheit seien die Diözesen überzeugt gewesen, mit dem Problem von Pädophilie selbst fertig zu werden. Der Kardinal räumte jedoch ein, dass viele Fälle von Kindesmissbrauch „mit den der Kirche zur Verfügung stehenden Mitteln nicht ausreichend aufgeklärt werden können. Wir tappen oft länger im Dunkeln.“ Seit Beginn des Jahres 2002 muss jeder Verdacht auf Kindesmissbrauch von Priestern nach Rom gemeldet werden.

Ähnlich wie in anderen Ländern wachse nun auch in Deutschland bei den Diözesen „das Bedürfnis nach Transparenz, Koordination und gemeinsamen Leitlinien der Prävention, Therapie und des Vorgehens, schrieb Lehmann. Auch eine stärkere Einbeziehung externer Experten und Ansprechpartner werde empfohlen. Andere Länder würden solche neuen Wege bereits beschreiten. Er persönlich wäre erleichtert, wenn in der Deutschen Bischofskonferenz sobald wie möglich entsprechende Übereinstimmung erzielt und Beschlüsse gefasst werden könnten. „Vielleicht kann so auch verlorenes Vertrauen wiedergewonnen werden.“

Bei dem Versuch, bereits im Frühjahr auf der Sitzung des Ständigen Rates der Bischofskonferenz gemeinsame Richtlinien nach dem Muster der französischen, britischen oder kanadischen Kirche durchzusetzen, war Lehmann am Widerstand anderer Bischöfe gescheitert.

In den Augen dieser Oberhirten ist primär der Ortsbischof für Probleme in seinem Bistum zuständig und nicht irgendein Expertenrat der Bischofskonferenz. Daraufhin zog Lehmann seinen Vorschlag zurück und gab die Angelegenheit zur weiteren Prüfung in die Hände einer Kommission.

Zur Begründung sagte er, die Diözesen seien bislang klug und sorgfältig vorgegangen. „Einheitliche Richtlinien könnten bei uns vermutlich nichts zusätzlich Neues regeln, für notwendig halte ich sie jedenfalls nicht.“ Das war vor drei Monaten. Nun will der Kardinal auf dem Herbsttreffen einen zweiten Anlauf nehmen. Martin Gehlen

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