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Lehren aus der Schuldenkrise: Beim EU-Gipfel gab es viel zu glätten

Handlungsfähigkeit wollen die Staats- und Regierungschefs beweisen – in Sachen Finanzmarktregulierung. Was haben sie beschlossen?

Dieser EU-Gipfel stand nicht nur im Zeichen der Griechenland-Nachwirkungen. Er fand auch vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise statt. Die Staats- und Regierungschefs der EU wollten zeigen, dass sie das Primat der Politik noch nicht verloren geben und die Verursacher der Krise auch an den Kosten beteiligen. Am Ende stehen vor allem zwei Ergebnisse: eine Bankenabgabe und Transparenz beim Bankenstresstest. Nur auf eine Finanzmarkttransaktionssteuer konnten sie sich noch nicht verständigen.

BANKENABGABE

Europas Banken müssen künftig in Fonds einzahlen, damit nicht erneut die Steuerzahler die Kosten einer künftigen Finanzkrise übernehmen müssen. Darauf haben sich die europäischen Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel am Donnerstag verständigt. Die Vertreter der EU wollen sich in der kommenden Woche beim G-20-Treffen der größten Industrienationen in Kanada dafür einsetzen, dass für den Bankensektor „ein System von Abgaben und Steuern“ eingeführt wird, wie es in der Abschlusserklärung heißt. Aber auch wenn dieses Vorhaben beim Gipfel von Toronto scheitern sollte, will die Gemeinschaft dies im Alleingang einführen. Einzig das von Anfang an skeptische Tschechien behält sich vor, nicht mitzumachen. Eine globale Einführung gilt als unwahrscheinlich, da ausgerechnet der Gastgeber Kanada, der im Zuge der Finanzkrise keine Banken vor der Pleite retten musste, dagegen ist.

Die Details der europäischen Pläne müssen noch vom Finanzministerrat und der EU-Kommission ausgearbeitet werden. Beide Institutionen sollen dem EU- Gipfel im Oktober Bericht erstatten. Sie sollen aber darauf achten, so heißt es im Gipfelpapier, dass keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen und die „kumulativen Auswirkungen genau untersucht werden“. Dies heißt im Klartext, dass die Banken auch nicht über Gebühr belastet werden sollen. Denn eine zurzeit im europäischen Gesetzgebungsprozess befindliche Richtlinie wird ihnen bereits vorschreiben, viel mehr Eigenkapital als bisher vorzuhalten. Bankenvertreter argumentieren seit Monaten, eine zu hohe Belastung könne die Versorgung der europäischen Wirtschaft mit Krediten gefährden.

STRESSTEST

Europas Großbanken müssen sich bald genau in die Karten gucken lassen. Die Staatschefs wollen die Ergebnisse sogenannter Stresstests noch im Juli veröffentlichen. Die Europäische Bankenaufsicht CEBS überprüft gerade 22 Großbanken in Europa daraufhin, ob sie außergewöhnlichen Belastungen wie Konjunktureinbrüchen oder Turbulenzen an den Finanzmärkten gewachsen wären. Dafür wertet die CEBS bestimmte Zahlen einer Bank aus, etwa ihre Kreditrisiken, und spielt damit verschiedene Szenarien durch.

Ein Stresstest im vergangenen Jahr hatte ergeben, dass die 22 überprüften Banken einem wirtschaftlichen Einbruch standhalten könnten. Damals war aber nur das Gesamtergebnis bekannt gegeben worden. Vor allem Spanien hat darauf gedrängt, nun die Ergebnisse für einzelne Banken zu veröffentlichen. Diese Daten sollen mehr Vertrauen unter den Banken schaffen. Viele Institute leihen einander kein Geld mehr, weil sie fürchten, der Schuldner könnte das Geld nicht zurückzahlen. Gerade in hochverschuldeten Ländern wie Spanien und Griechenland haben die Banken derzeit große Probleme, an frisches Geld zu kommen.

Die deutschen Banken waren von der Ankündigung Berlins, sich für eine Veröffentlichung einzusetzen, überrascht worden und hatten am Mittwoch zunächst protestiert. Die Veröffentlichung könne „zu Fehleinschätzungen in den Märkten führen“, hieß es beim Verband der öffentlichen Banken, dem unter anderem die Landesbanken angehören. In Deutschland können Details über Institute nur nach deren Zustimmung veröffentlicht werden. Eine Weigerung würde aber erst recht Misstrauen erregen.

Am Donnerstag erklärte ein Sprecher des privaten Bankenverbands, man habe nichts einzuwenden, „wenn gesichert ist, dass es nicht zu Fehlinterpretationen kommen kann“. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hatte sich schon in der vergangenen Woche dafür ausgesprochen: Dies sei eine gute Sache. „Es beruhigt die Unsicherheit am Markt.“ Die Ergebnisse dürften aber nur veröffentlicht werden, „wenn es Sicherungsschirme gibt und Regierungen bereit sind, Banken bei Problemen zu unterstützen“. Andernfalls könnte ein schlechtes Ergebnis dazu führen, dass Anleger sofort ihr Geld aus dem Institut abziehen – und so den Ernstfall erst auslösen.

FINANZTRANSAKTIONSSTEUER

Weniger weitgehend ist die Einigung, die der Gipfel bei der Finanztransaktionssteuer erzielt hat. Zwar einigte man sich darauf, gemeinsam eine solche in Toronto zu fordern, was Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anschließend als „großen Fortschritt“ bezeichnete. Das von ihr erhoffte Bekenntnis, auch hier notfalls europäisch voranzuschreiten, ließ sich aber nicht durchsetzen. Dies lehnte unter anderem der neue britische Premier David Cameron ab. Nun heißt es in der Schlusserklärung nur vage, die sogenannte Tobin Tax solle in der Folgezeit „erkundet und entwickelt“ werden.

FINANZAUFSICHT

In einem bilateralen Gespräch einigte sich Merkel mit Cameron darauf, wie eine Lösung bei der noch immer blockierten EU-Finanzaufsicht gefunden werden soll. Beide werden sich Merkel zufolge am Rande des G-20-Gipfels mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy zusammensetzen, um denkbare Kompromisse auszuloten. „Wir müssen auf das Europäische Parlament zugehen“, sagte die Kanzlerin. Sonst könne die neue Aufsicht, die für die drei Bereiche Wertpapiere, Banken und Versicherung zuständig sein soll, nicht wie geplant am 1. Januar 2011 die Arbeit aufnehmen. Die politisch gewünschte Kontrolle der Ratingagenturen würde dadurch ebenfalls erheblich verzögert. Das Europaparlament will der neuen Institution weitgehende Rechte einräumen. Mehrere Mitgliedstaaten beharren jedoch darauf, die nationalen Behörden – in Deutschland die Bafin – mit einem Vetorecht auszustatten.

Zugleich werden die 27 Finanzminister angewiesen, sich noch vor der Sommerpause mit dem Europaparlament über die Kontrolle der Hedgefonds zu einigen. Beide europäischen Gesetzgebungsorgane haben bereits Gesetzentwürfe für diesen Sektor verabschiedet.

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