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Politik: Lehrjahre in der Opposition

Die SPD gibt Sigmar Gabriel in Hannover eine zweite Chance

Sigmar Gabriel wirkt in diesen Tagen gelöster und lockerer als in den heißen Wochen des Wahlkampfes. Ganz so, als sei eine große Last von ihm abgefallen. Nicht mehr Regierungschef sein zu müssen, heißt weniger Termindruck, weniger Medieninteresse, weniger Anfragen zu Gesprächen. Dabei liebt Gabriel eigentlich solchen Stress. Manche meinen gar, er könne gar nicht ohne ihn. Erleichtert ist der SPD-Mann nach der schlimmen Niederlage vielleicht aber auch deshalb, weil er nun nicht in der Versenkung verschwinden muss. Am Dienstag wählte ihn die um 20 Mandate geschrumpfte SPD-Landtagsfraktion zu ihrem neuen Vorsitzenden.

Die nächsten Wochen und Monate werden nicht einfach für den 43-Jährigen. Zwar kürten ihn die Abgeordneten einmütig. Von 62 Parlamentariern waren 58 für ihn, vier verweigerten die Zustimmung. Eine Personaldebatte blieb aus. Und die Gabriel-Kritiker dürften vorerst auch keine prominenten Wortführer finden. Es gibt keinen hoch gestellten SPD-Politiker in diesen Tagen, der Gabriels Wahl offiziell nicht gutheißen würde. Doch hinter vorgehaltener Hand murren manche Genossen schon. Einerseits hängt ein Großteil der Verantwortung für die Niederlage am bundesweit schwachen Auftreten der SPD. Doch Gabriel, heißt es, hat auf der anderen Seite ebenfalls einen großen Anteil. Sein allzu selbstbewusstes Auftreten, sein zuweilen autoritärer Führungsstil und seine Sprunghaftigkeit im Wahlkampf werden ihm auch in der eigenen Partei angelastet.

Der Vorschlag, Gabriel zum Oppositionsführer zu wählen, stammt zunächst von der Bundespartei, vor allem aus dem Umfeld des Bundesvorsitzenden Gerhard Schröder. Bei den Braunschweigern, Gabriels Heimatverband, und bei den Ostfriesen und Oldenburgern stieß das am Montag gleich auf fruchtbaren Boden. Gabriel selbst, der zögerte, zumal er noch vor wenigen Monaten das Amt des Fraktionschefs im Fall einer Niederlage kategorisch ausgeschlossen hatte, ließ sich von vielen Genossen umstimmen. Vielleicht tat er es am Ende doch gern, denn der Vorsitz der SPD-Fraktion scheint momentan ein Rettungsanker für die Politik zu sein. Das Amt gäbe Gabriel die Chance, erst einmal weiterzuarbeiten – und in Wartestellung für höhere Aufgaben zu sein, möglicherweise auf Bundesebene.

Um die Gabriel-Skeptiker zu beruhigen, wurde die Parole ausgegeben: Gabriel soll lernen, dass er, für den politisch bisher immer alles aufwärts ging, auch mit einer Niederlage umzugehen vermag. Er soll Stetigkeit, Geradlinigkeit und Teamfähigkeit beweisen. Der Fraktionsvorsitz soll eine Art Strafarbeit nach der haushoch verlorenen Landtagswahl sein. Finanziell hätte der scheidende Ministerpräsident die Fortsetzung seiner Politikerkarriere gar nicht nötig gehabt. Von März an, nachdem er aus dem Amt geschieden sein wird, erhält Gabriel zunächst drei Monate lang ein Übergangsgeld von 13 913 Euro, danach 21 Monate 7634 Euro. Die Abgeordnetendiät beträgt monatlich 5403 Euro, sie kann aber für Fraktionsvorsitzende angehoben werden. Sie wird zu 75 Prozent mit dem Übergangsgeld verrechnet.

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