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Libanon-Einsatz: Marine-Mission "auf Kante"

Führende Bundeswehr-Offiziere sind "sehr skeptisch", ob die Kapazitäten für einen langen Einsatz der deutschen Marine an der libanesischen Küste ausreichen. Es sei fraglich, "ob wir das überhaupt durchhalten".

Berlin/New York - In einer geheimen "Gesamtbewertung" der Bundeswehr heißt es zur Teilstreitkraft Marine militärisch knapp, die Situation sei "auf Kante". Ein Marineoffizier erklärte: "Eigentlich sollten wir unter diesen Bedingungen nicht in den Einsatz gehen." Nachdem die Bitte des Libanon zur Entsendung deutscher Kriegsschiffe bei den Vereinten Nationen in New York beraten worden ist, führt der internationale Druck auf die Bundesregierung nach Meinung von Parlamentariern in Berlin zum "zwangsläufigen Ja".

"Die Bundeswehr ist einsatzbereit", stellte Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan in einer Erklärung fest. Die Bundeswehr könne "alle Bündnisverpflichtungen und Anforderungen im Rahmen der laufenden Auslandseinsätze und eines möglichen Libanoneinsatzes erfüllen".

In Marinekreisen werden die Modalitäten für den Einsatz der Marine zur Unterbindung des Waffenschmuggels noch aus einem anderen Grund für "sehr problematisch" gehalten. Wenn der Flottenverband nur außerhalb von sieben Seemeilen vor der libanesischen Küste kreuzen dürfe, "ist unser Einsatz eigentlich unsinnig", heißt es bei der Marine. Der Waffenschmuggel an die schiitische Hisbollah könne so "munter weitergehen".

Skeptisch wurde in Marinekreisen zudem der Standpunkt des Hisbollah-Abgeordneten Hussein Hadsch Hassan im libanesischen Parlament registriert. Er hatte "starke Bedenken" gegen die Forderung der Bundesregierung angemeldet, dass die Deutschen bei Verdacht auf Waffenschmuggel auch Boote durchsuchen müssten, die den Libanon ansteuern. Am Horn von Afrika, wo schon seit langem deutsche Kriegsschiffe zur Seeüberwachung eingesetzt sind, ist das erlaubt und wird auch von deutschen Besatzungen durchgeführt. Hassan meinte, die Forderung Berlins beeinträchtige die Souveränität des Libanon.

Spannungen zwischen Jung und Militärführung

Von Offizieren wurde darauf aufmerksam gemacht, dass der Einsatz vor der Küste Libanons zeitlich nicht überschaubar sei. In der geheimen Beurteilung des Zustands der Bundeswehr heißt es mit Hinblick auf die Marine zudem, es drohe "mittelfristig eine sinkende Einsatzbereitschaft, langfristig die Gefahr des Wegbrechens von Teilfähigkeiten". Auch die Fähigkeiten zum militärischen Seetransport machen erhebliche Sorgen. "Das ist ein enormer Nachteil für unsere Schiffe, die im langfristigen Einsatz vor der libanesischen Küste ständig versorgt werden müssen", hieß es in Marinekreisen. Es wird erwartet, dass rund zwölf bis 15 deutsche Kriegsschiffe jahrelang vor der libanesischen Küste operieren werden.

Die Lage für den Einsatz wird noch durch Spannungen zwischen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und der militärischen Führung beeinträchtigt. Jung fühle sich durch die obersten militärischen Führer, insbesondere durch Generalinspekteur Schneiderhan, schlecht informiert, war aus der Umgebung des Ministers zu hören. Bei einer Unterredung am vergangenen Dienstag seien die "Fetzen geflogen". Jung sei über die Angaben in dem Geheimpapier, das ihm bis Dienstag nicht vorgelegen habe, "irritiert" gewesen. (Von Friedrich Kuhn, ddp)

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