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Libanon: Spiel mit dem Feuer in Beirut

In der libanesischen Hauptstadt Beirut werden in diesen Tagen Erinnerungen an den Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 wach. Die Angst vor einem Flächenbrand wächst.

Kairo - "Sobald die israelischen Soldaten weg sind, werden die Libanesen wieder aufeinander losgehen", prognostizierte während des Krieges im vergangenen Juli ein europäischer Diplomat in Beirut. Dass er Recht behalten hat, dürfte ihm heute wenig Freude machen. Denn westliche Außenpolitiker suchen derzeit händeringend nach einer Strategie, die verhindern soll, dass aus den Flammen in Beirut ein Flächenbrand wird. Schließlich haben inzwischen sogar die politischen Strippenzieher im Lande Mühe, die von ihnen zu Gewaltausbrüchen angestachelten Menschen zu kontrollieren.

Sechs Tote und 220 Verletzte - das ist die Bilanz einer Woche, in der im Libanon Schüsse auf Menschenmengen abgegeben wurden, Steine flogen und Autos angezündet wurden. Das macht vor allem der älteren Generation Angst, die viele traumatische Ereignisse aus der Zeit des libanesischen Bürgerkrieges (1975-1990) bis heute nicht verarbeitet hat.

Angst vor neuem Bürgerkrieg

Leila Saud, die vom Fenster ihrer Wohnung aus am Donnerstag mit ansehen musste, wie die Studenten der Arabischen Universität mit Schlagstöcken und Steinen aufeinander losgingen, ist eine von ihnen. "Diese Woche haben wir zweimal Zusammenstöße zwischen den Angehörigen der verschiedenen Religionsgruppen erlebt, die hässliche Erinnerungen an den Bürgerkrieg wach werden ließen", sagt sie. Leila Saud, die an diesem Januarmorgen auf die ausgebrannten Wracks der Autos blickt, die von den Studenten am Vortag angezündet worden waren, hat Angst, dass es schon bald zu einem neuen Bürgerkrieg kommen könnte.

Doch wem ist mit einer Destabilisierung des Libanons gedient? Aus libanesischen Sicherheitskreisen heißt es, die Polizei habe einen Syrer und einen Palästinenser festgenommen, die während der Massenschlägerei an der Universität sowohl auf die Studenten als auch auf die Soldaten geschossen haben sollen. Schon im Dezember, als es nach dem Beginn der von der schiitischen Hisbollah initiierten Massenproteste in Beirut zu ersten Zusammenstößen zwischen Schiiten und Sunniten kam, war die Rede von Syrern gewesen, die angeblich von einem Hausdach aus in die Menge geschossen haben sollen.

Wer ist schuld an der Eskalation?

Während die USA und Europa sich hinter die demokratisch gewählte Regierungsmehrheit unter dem sunnitischen Ministerpräsidenten Fuad Siniora gestellt haben, werden die Hisbollah und ihre Verbündeten von Iran und von Syrien unterstützt. Das US-Außenministerium hat sowohl Teheran als auch Damaskus eine Mitverantwortung an der Eskalation im Libanon zugewiesen. Die Opposition, zu der außer der Hisbollah auch die Schiiten-Bewegung Amal und die Bewegung des Christen-Generals Michel Aoun gehören, will nach eigenem Bekunden mit ihren Protestaktionen die Siniora-Regierung stürzen. Die sei korrupt und höre auf das Diktat Washingtons. Siniora ist dagegen überzeugt, dass es Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah und seinen Verbündeten vor allem darum geht, der früheren Schutzmacht Syrien einen Gefallen zu tun, die im Frühjahr 2005 schmachvoll aus dem Land geschickt worden war.

Andere arabische Regierungen wollen derweil unbedingt verhindern, dass nach dem Irak auch der Libanon von einem schiitisch-sunnitischen Konflikt heimgesucht wird und im Chaos versinkt. Denn erstens hätte dies eventuell gefährliche Folgen für andere Staaten der Region, in denen die Schiiten mehr Macht verlangen wie zum Beispiel in Bahrain. Außerdem lieben die Araber Beirut - diese weltoffene Stadt am Mittelmeer mit ihren gepflegten Straßencafes, in denen elegante Frauen mit viel Make-up neben Männern mit tadellos manikürten Fingernägeln sitzen. Auch deshalb wollen sie nicht tatenlos bleiben, wenn diese Perle des Orients in Gefahr ist.

(Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa)

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