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Politik: Liberale Mühen

Westerwelle boxt in Bremen seine Generalsekretärin durch – und Delegierte klagen über die gedämpfte Stimmung

Von Robert Birnbaum

Unter den gegebenen Umständen sind knapp 61 Prozent der Stimmen für Conni Pieper sogar ein anständiges Wahlergebnis. Die gegebenen Umstände sahen nämlich so aus, dass sich im FDP-Landesverband Hessen bei einer Probeabstimmung vor dem Bremer FDP-Parteitag genau drei Delegierte fanden, die Pieper freiwillig als Generalsekretärin wiederwählen wollten. Aus anderen Landesverbänden erreichten die Bundesführung ähnlich alarmierende Meldungen. Es bedurfte des lautstarken Engagements von FDP-Chef Guido Westerwelle am Donnerstagabend im Bundesvorstand und etlicher weiterer Überzeugungsrunden, um die mühsame Mehrheit zu sichern.

So hat der Parteitag am Samstag pflichtschuldigst die Frau aus dem Osten in ihrem Amt bestätigt, das Ereignis spärlich beklatscht und anschließend lustlos einer längeren Pieper-Rede zugehört, die in dem Satz gipfelte, dass man 13-Prozent-Wahlergebnisse wie beim letzten Mal in Sachsen-Anhalt auch künftig für realistisch halten müsse.

Dass der Satz unter den Delegierten keinerlei zustimmenden Jubel auslöst, liegt nicht nur daran, dass im Saal viele die jüngste Umfrage aus Piepers Heimatland kennen. Die Demoskopen bescheinigen der in Magdeburg mitregierenden FDP gerade mal noch eine Drei vor dem Komma. Der Mangel an Begeisterung lässt sich auch nicht nur damit erklären, dass mancher Pieper eine Mitschuld an diesem Absturz gibt, weil sie seinerzeit nach dem Wahlsieg Magdeburg den Rücken kehrte und gen Berlin verschwand. Nein, das Unbehagen der Delegierten sitzt tiefer, und Pieper bekommt nur die Prügel für einen anderen.

Am deutlichsten gibt das Neumitglied Stephan aus Hessen in der Aussprache zu Piepers Rede der stark gedämpften Stimmung in der Bremer Stadthalle Ausdruck. Der ältere Herr findet es befremdlich, dass die Freien Demokraten „im Mai noch die September-Depression“ pflegten. Und er findet es außerdem einen „eigenartigen Spagat“, dass eine Partei mit einem an sich doch in die Zukunft weisenden Programm bei der Wahl ihrer Spitzenvertreter derart „rückwärts gewandt“ vorgeht. Tatsächlich besteht die einzige Erneuerung im FDP-Präsidium darin, dass der junge Berliner Landeschef Martin Matz ab- und der altgediente Kieler Fraktionschef Jürgen Koppelin hineingewählt wird, was das Gremium um zwei Jahrzehnte älter macht.

Von Aufbruch ist nichts zu hören, nur hier und da ein Aufatmen. Einen „Parteitag zwischen den Zeiten“ nennt ein alter Hase unter den FDP-Bundestagsabgeordneten die drei Tage in Bremen. Die vergangenen Zeiten sind danach wohl abgehakt. Wie die neuen aussehen? „Das weiß noch keiner“, räumt ein Präsidiumsmitglied ein.

Aber gerade den Älteren schwant, dass die angestammten Themen der FDP, grob zusammengefasst unter dem Schlagwort „Reform“, bestenfalls noch für die nächsten zwei, drei Jahre tragen. Dass Parteichef Westerwelle versuchsweise das Schlagwort von der „geistig-moralischen Wende“ wiederbelebt hat, gilt Parteifreunden als vorerst noch eher untauglicher Versuch, neue Themen zu setzen. „Da muss er jetzt ran“, sagt ein Präsidiumsmitglied. „Das erwarten wir von ihm.“

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