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Libyen: Rebellen leisten Gaddafi heftigen Widerstand

Regierungstruppen belagern Bengasi, tausende Einwohner fliehen.

Der Angriff erfolgte um 17 Uhr 45. Nachdem am Nachmittag bereits französische Aufklärer am Himmel über Libyen erschienen waren, ging ein Jet zum Angriff über. Es traf ein Fahrzeug, das zweifelsfrei den Regierungstruppen des libyschen Machthabers Muammar als Gaddafi zugeordnet werden konnte, wie das französische Verteidigungsministerium in Paris mitteilte. Doch dabei blieb es nicht: Bei vier weiteren Angriffen wurden auch mehrere Panzer der Truppen Gaddafis zerstört, wie es aus Militärkreisen hieß, offenbar in der Nähe von Bengasi, der Hochburg der Aufständischen.

Ungeachtet seines offiziell verkündeten Waffenstillstands hatte Gewaltherrscher Gaddafi am Samstag die bisher schwersten Angriffe auf Bengasi befohlen. Seit den frühen Morgenstunden waren überall in der Stadt Bombeneinschläge, Artilleriesalven und Schusswechsel zu hören. Nach Augenzeugenberichten drangen Gaddafis Panzer von der Stadtgrenze in Wohngebiete vor. Mehrere Male griffen Rebellen zufolge auch Kampfflugzeuge die Straße zum Flughafen an, an der zwei große Kasernen liegen, wo die Aufständischen trainieren. Nach Angaben des Vorsitzenden der provisorischen Gegenregierung in Bengasi, Mustafa Abdul Dschalil, gab es viele Opfer.

Fernsehbilder zeigten den Absturz eines brennenden Jets, der über dem Zentrum abgeschossen worden war. Ein Sprecher der Rebellen sagte später, es habe sich um eine Maschine der Aufständischen gehandelt und nicht um ein Flugzeug der Gaddafi-Truppen. „Wir haben wenige Flugzeuge und sie sind alt“, sagte der Rebellenvertreter der Nachrichtenagentur AFP in Kairo per Telefon. Es habe sich um einen Mirage-Jet aus französischer Produktion gehandelt. Der Pilot sei getötet worden.

Auf allen Ausfallstraßen errichteten bewaffnete Rebellen improvisierte Barrikaden aus Eisenstangen, Brettern und ausgerissenen Verkehrsschildern. „Wir gehen einer Katastrophe entgegen, wenn die internationale Gemeinschaft nicht rasch ihre beschlossene Resolution umsetzt“, erklärte Dschalil auf „Al Dschasira“. „Wir appellieren an die gesamte freie Welt, den Tyrannen daran zu hindern, die Zivilisten auszurotten“. Die Telefonverbindungen nach Bengasi, der mit 660 000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Libyens, waren am Samstag weiterhin gestört. Nach eigenen Angaben gelang es den Rebellen im Laufe des Tages, die Gaddafi-Truppen etwas zurückzudrängen und vier Panzer in ihre Gewalt zu bringen.

Tags zuvor hatte der Diktator bereits die im Westen liegende Stadt Misrata erneut unter Feuer nehmen lassen. Der Granatenbeschuss dauerte bis in die frühen Morgenstunden. Danach war die Lage weitgehend ruhig, nachdem es den Rebellen nach eigenen Angaben gelungen war, die regimetreuen Truppen zurückzuschlagen. Zwei Menschen starben durch Schüsse von Scharfschützen, die sich auf Dächern versteckt hatten. Die Wasserversorgung der Stadt ist schon tagelang unterbrochen.

Derweil flohen seit den Morgenstunden tausende Familien von Bengasi in Richtung Osten, wo die von den Rebellen kontrollierten Städte Al Baida und Tobruk liegen. Nach Augenzeugenberichten kam es auf der Küstenstraße zu kilometerlangen Staus hoch bepackter Autos und Kleinbusse. Die UN-Flüchtlingshilfsorganisation bereitet nahe dem Grenzübergang zwischen Libyen und Ägypten in Salloum ein Notaufnahmelager für bis zu 200 000 Menschen vor. Die bisher angekommenen Flüchtlinge seien extrem verängstigt und traumatisiert, einige hätten ihre Häuser durch Bomben verloren, hieß es.

In Briefen an den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, den britischen Premier David Cameron sowie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte Gaddafi noch Drohungen ausgestoßen. Die UN-Resolution sei keine Legitimation für eine Einmischung in innere Angelegenheiten Libyens. „Dies ist eine klare Aggression und bedeutet für Europa sowie den Mittelmeerraum ein unkalkulierbares Risiko.“ Den westlichen Politikern drohte Gaddafi, sie würden ihr Tun noch bereuen. „Die Resolution steht im Widerspruch zur UN-Charta, die jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedslandes verbietet“, hieß es in dem Schreiben. „Libyen gehört nicht euch. Libyen gehört uns“, hieß es darin.

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