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Politik: Lockruf des Siegers

Scharon möchte die Arbeitspartei an der Macht beteiligen, um die Nationalisten in Schach zu halten

Von Charles A. Landsmann,

Tel Aviv

Israel ist mit der Wahl vom Dienstag weiter nach rechts gerückt, so weit, dass Ministerpräsident Ariel Scharon sich in der künftigen Regierung als Linksaußen wiederfinden könnte. Seine Hoffnung liegt bei der geschlagenen Arbeitspartei, die er für eine Neuauflage der „Regierung der nationalen Einheit“ zu gewinnen sucht. In seiner Siegesrede machte Scharon zwar allen zionistischen Parteien ein Koalitionsangebot, doch so, dass es für die Nationalisten unannehmbar, von der Arbeitspartei hingegen eigentlich kaum abzulehnen ist. Er schlug ausdrücklich die inhaltlich unveränderten Richtlinien und Koalitionsabkommen der bisherigen „Regierung der nationalen Einheit“ als Grundlage einer neuen Regierung vor.

Doch der Chef der Arbeitspartei, Amram Mizna, sagte Scharon ab. Seine Partei werde unter keinen Umständen eine große Koalition eingehen. Sie kann nur in die Opposition gehen, will sie ihre Glaubwürdigkeit nicht völlig verlieren. Mizna hatte unmittelbar vor dem Wahltag die gesamte Parteiführung auf Oppositionskurs eingeschworen. Die von der zweiten Wahlsiegerin, der gemäßigten Schinui-Partei, angestrebte säkulare Koalition, bestehend aus Scharons Likud-Block, Schinui und Arbeitspartei, würde zwar über eine wohl stabile Mehrheit verfügen, doch verweigert sich nicht nur die Arbeitspartei. Auch Scharon kann es sich kaum leisten, die Ultrareligiösen, vor allem die loyale Schas-Partei, zu verstoßen – was wiederum die ultimative Vorbedingung von Schinui ist.

So bleibt für Scharon nur die von ihm verwünschte gar nicht so kleine Koalition mit den Nationalisten und den Religiösen übrig, welche von der Spitze des Likud und dessen hitzköpfigen Aktivisten angestrebt wird. Von den ersten zehn auf der Likud-Kandidatenliste dieser Knessetwahlen gehören neun dem von Außenminister Benjamin Netanjahu geführten nationalistischen Flügel an.Um eine rechtsreligiöse Regierung doch noch zu verhindern, hat Scharon bereits mit der Möglichkeit erneuter Wahlen gedroht. Natürlich wäre für eine solche Regierung die realpolitische Basis ihrer Vorgängerin, welche Scharon beibehalten will, kaum annehmbar.

Konkret hieße dies in der Außenpolitik: Nein zu einem palästinensischen Staat und Zurückweisung der Vorschläge des Nahost-Quartetts (UN, USA, EU und Russland). Höchstens Zustimmung mit Vorbehalten zu den Inhalten der Nahostrede von George W. Bush vom letzten Sommer ist denkbar, die dieser gemäß Scharons Vorschlägen gestaltet hatte. Die sicherheitspolitischen Auswirkungen wären wohl blutig: Wiederbesetzung des Gaza-Streifens ähnlich dem Westjordanland; der Versuch, die Konfrontation mit den Palästinensern militärisch zu entscheiden; Verbannung Jassir Arafats; Zerstörung der Herrschaftsstrukturen der Palästinenserbehörde und Aufhebung der Reste palästinensischer Autonomie; Verstärkung der Siedlungsaktivitäten.

Scharons Macht wird, sollte es zu einer solchen Regierung im nationalistischen Würgegriff kommen, daran gemessen werden, wie viel er davon verhindern kann. Er wird sich dabei vor allem der Drohung von Sanktionen des Auslandes bedienen. Zuerst steht die Entscheidung der US-Regierung über ein Hilfeersuchen in Höhe von 12 Milliarden Dollar – acht Milliarden Kreditgarantie und vier Milliarden Direkthilfe – an, das für Israels schwer angeschlagene Wirtschaft existenzielle Bedeutung hat. Eine Regierung, welche sich grundsätzlich gegen die Nahost-Vorschläge der USA stellt, hat keine Chance, diese Finanzhilfe zu erhalten. Das versucht Scharon seinen Parteifreunden nun klar zu machen, damit diese ihn in seinen Bemühungen unterstützen, die Arbeitspartei doch wieder in die Regierung zu locken.

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