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Politik: Lösegeld in eigener Sache

Libyens Staatschef Gaddafi entschädigt nun auch französische und deutsche Opfer – damit die Sanktionen fallen

Von Matthias B. Krause,

New York

Muammar al Gaddafi ist so gut wie am Ziel. Der Weltsicherheitsrat wird voraussichtlich noch in dieser Woche seine 1992 verhängten Sanktionen gegen Libyen aufheben. Eine entsprechende Resolution werde vermutlich bereits am Mittwoch verabschiedet, hieß es aus diplomatischen Kreisen in New York. Großbritannien hatte Mitte August einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Eine Abstimmung darüber war jedoch verschoben worden, weil Frankreich sich verweigerte und mit einem Veto drohte. Paris machte eine „angemessene“ Entschädigung der Opfer eines Bombenanschlags auf eine französische Maschine 1989 in Niger zur Voraussetzung. Das Attentat wird ebenso wie die Anschläge auf eine Pan-Am-Maschine über dem schottischen Lockerbie und auf die Berliner Diskothek „La Belle“ dem libyschen Geheimdienst zugeschrieben.

Dass sich in dieser strittigen Frage nun doch eine Einigung ergeben könnte, hatte sich Anfang des Monats abgezeichnet. Da sprach Libyens Staatschef Muammar al Gaddafi davon, dass sein Land „eine neue Seite der Beziehung zum Westen“ aufschlagen werde. Am Montag erklärte dann der französische Außenminister Dominique de Villepin in einem Radiointerview, er gehe davon aus, dass ein Abkommen mit den Angehörigen bald unterzeichnet werde.

Libyen hatte sich zwar stets geweigert, die Verantwortung für die Bombe zu übernehmen, die 1989 ein UTA-Flugzeug über Niger zum Absturz brachte. 170 Menschen kamen damals ums Leben. Dennoch zahlte Tripolis den Angehörigen der Opfer 33 Millionen Dollar Entschädigung. Diese Summe erschien Paris jedoch als zu gering, nachdem Libyen im Juli dieses Jahres für die Opfer des Lockerbie-Attentats 2,7 Milliarden Dollar Entschädigung anbot. Bei dem Absturz einer Pan-Am- Maschine über Schottland waren 1988 insgesamt 270 Menschen ums Leben gekommen. Wie hoch die neue Entschädigungssumme ist, auf die sich Paris und Tripolis einigten, wurde bisher nicht bekannt. Ende August hatte sich Libyen bereit erklärt, die Opfer des Anschlags auf die Diskothek „La Belle“ im Jahr 1986 zu entschädigen. Das Geld soll von der Gaddafi-Stiftung gezahlt werden, die von Gaddafis Sohn Saif al Islam geleitet wird.

Im August hatte Libyen dem Weltsicherheitsrat ein Schreiben übermittelt, in dem es formell die Verantwortung für den Lockerbie-Anschlag übernimmt und Terrorakte grundsätzlich verurteilt. Das Gremium hatte im März 1992 weitgehende Handels- und Reisebeschränkungen beschlossen, weil Libyen sich weigerte, bei der Aufklärung der Attentate mitzuarbeiten.

Die Sanktionen, die 1993 verschärft wurden, sahen unter anderem den Stopp sämtlicher Waffenlieferungen für Polizei und Militär vor, das Verbot internationaler Flüge von und nach Libyen sowie die weltweite Ächtung der staatlichen Fluglinie Libyan Arab Airlines. Das Land musste zudem das Personal seiner diplomatischen Vertretungen deutlich reduzieren und später Botschaften gänzlich schließen. In den vergangenen Jahren waren allerdings immer wieder Stimmen laut geworden, die die Sanktionen als wirkungslos bezeichneten. Vor allem die Nachbarn Libyens sollen sie ignoriert haben.

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