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Politik: Luther als Mann der Vielfalt

Synode diskutiert über Reformationsjubiläum.

Timmendorfer Strand - Wer Geschichte schreibt, sortiert die Vergangenheit. Wer Geschichte überliefert, entscheidet sich für eine Perspektive und wertet. Unterschiedliche Perspektiven auf die Vergangenheit zusammenzubringen, ist schwierig. Wie schwierig, zeigt das Ringen der evangelischen und katholischen Kirchen um das Reformationsjubiläum 2017. In fünf Jahren jährt sich der vermeintliche Thesenanschlag Martin Luthers zum 500. Mal – ein zentrales Ereignis für beide Kirchen. Seit fünf Jahren wird diskutiert, wie man das Jubiläum begehen könnte. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) möchte, dass der 31. Oktober 2017 bundesweit zum Feiertag erklärt wird. Noch bis Mittwoch beschäftigt sich die EKD-Synode, das oberste Kirchenparlament, in Timmendorfer Strand mit „Perspektiven für das Reformationsjubiläum“.

Jedes Jahrhundert formte sein eigenes Lutherbild. Die Nazis feierten den Reformator als deutschen Nationalhelden, auch in der DDR wurde der Reformator politisch instrumentalisiert. Wie also soll Luther 2017 aussehen? Der Kundgebungsentwurf, über den die Synode am Mittwoch abstimmen soll, präsentiert Luther als einen Mann der Vielfalt. Ihm nachzufolgen, bedeute, sich aus innerer Enge und Selbstüberschätzung zu befreien, am Scheitern nicht zu verzweifeln, sondern auf Gottes Gnade zu vertrauen, sich zu bilden und Glaube mit Vernunft zu verzahnen. Von Luther lernen, heißt für Protestanten heute auch aus seinen Fehlern lernen, zum Beispiel aus seiner gnadenlosen Intoleranz gegenüber Andersdenkenden. Noch sind die Konturen des neuen Lutherbildes ein wenig unscharf. „Wir sind mitten in einem Prozess, der ist längst nicht abgeschlossen“, sagte Katrin Göring-Eckardt, die Synoden-Präses und Grünen-Politikerin.

Präses Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der EKD, empfahl am Sonntag die „Umkehr zu Jesus Christus“ als theologischen Kern für 2017. In der gemeinsamen Besinnung auf Jesus Christus, so hofft Schneider, ist vielleicht eine Verständigung mit den Katholiken möglich. Für die katholische Kirche gibt es 2017 erst mal nichts zu feiern. Sie sieht in Martin Luthers Wirken vor allem den Bruch, der daraus folgte, und möchte lieber von Reformationsgedenken sprechen. „Man kann nicht nur das Positive der Reformation sehen, sondern darf die negativen Auswirkungen nicht vergessen. Die blutigen Konfessionskriege gehören dazu und auch die Säkularisierung der Gesellschaft“, sagte Kurienkardinal Kurt Koch. Koch gestand Luther zu, dass er nicht schuld sei, er habe eine grundlegende Erneuerung der Kirche gewollt, keinen Bruch. Schuld seien spätere theologische wie politische Entwicklungen „auf beiden Seiten“.

Um Schuld, um Verletzungen, die sich die beiden Kirchen in den vergangenen Jahrhunderten zugefügt haben, soll es in einer Arbeitsgruppe gehen, die EKD und Deutsche Bischofskonferenz unter dem Stichwort „Healing of memories“ eingesetzt haben. Sie soll den Weg zu einem gemeinsamen Buß- und Versöhnungsgottesdienst in Jahr 2017 ebnen. Am heutigen Montag will die evangelische Pfarrerstochter und Bundeskanzlerin Angela Merkel der Synode in Timmendorfer Strand ihre eigenen Überlegungen zur Reformation darlegen. Claudia Keller

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