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Politik: Mängel und Fehler

Wie die Linkspartei heute auf die DDR blickt

Von Matthias Meisner

Berlin - Soll bloß keiner glauben, in der Linkspartei feiere die Ostalgie fröhliche Urständ. Nach dem Zusammenschluss der PDS mit der WASG hat die Partei jetzt Fragen und Antworten zur eigenen Geschichte veröffentlicht – und die vermitteln den Eindruck, in der Linken seien die Kritiker des SED-Regimes vereint. Als Antwort auf eine „Diffamierungskampagne“ und für die „souveräne Argumentation am Infostand oder das Gespräch mit Neumitgliedern“ ist die von Parteigeschäftsführer Dietmar Bartsch initiierte Artikelsammlung gedacht. „Ein 18-Jähriger weiß gar nicht mehr, was SED ist“, begründet Bartsch seine Initiative.

Gescheitert ist die DDR demnach nicht an der Übermacht ihrer Gegner, sondern „an ihren eigenen Mängeln und Fehlern, am Unrecht in Politik und System, am systematischen Misstrauen ihrer politischen Führung gegenüber der eigenen Bevölkerung“. Elementare Bürgerrechte seien missachtet worden, den Bau der Mauer 1961 wertet die Linke als „deutliches Zeichen der Schwäche der DDR-Regierung“. Und auch wenn ein zentraler „Schießbefehl“ an der Grenze laut Linkspartei „bisher nicht gefunden“ worden sei, so werfe das „kein besseres Licht auf die Verantwortlichen. Denn sie haben auf jeden Fall nichts getan, um die Schüsse zu unterbinden“. Und auch mit der Stasi wird abgerechnet – die PDS habe deren „Spitzelwesen und Repressionsapparat“ nie beschönigt, selbst wenn sie Menschen „immer für einsichts- und veränderungsfähig gehalten“ habe. Wenn PDS-Funktionäre eine Stasi-Tätigkeit zunächst verschwiegen hätten, sei „in der Regel der Rücktritt von Amt und Mandat“ gefolgt. Zahlreiche Beispiele dafür, dass frühere Spitzel auf ihren Parteiposten bleiben konnten, werden unterschlagen.

Auch an anderer Stelle nehmen es Bartschs Genossen aus dem Karl-Liebknecht-Haus mit der Wahrheit nicht so genau. Akribisch beschreiben sie, dass der PDS vom Altvermögen der SED fast nichts geblieben sei, behaupten aber zugleich, dass das Vermögen der Blockparteien an CDU und FDP übergegangen sei. Mal ganz abgesehen davon, dass die Blockparteien weit weniger Geld hatten als die SED, stimmt das für die CDU nicht: Sie verzichtete im November 1990 unwiderruflich auf das Altvermögen der Ost-CDU und der mit ihr nach der Wende vereinigten Bauernpartei. Auch die FDP hat sich den Besitz von LDPD und NDPD nur zum Teil angeeignet. An anderer Stelle heißt es, mehr als 95 Prozent der SED-Mitglieder seien nicht mehr Mitglied der PDS geworden. Dass umgekehrt auch heute noch – so Bartsch auf Anfrage – vier von zehn Linkspartei-Mitgliedern schon in der SED gewesen sind, bleibt unerwähnt. Bartsch kündigt an, die Dokumentation werde weiter vervollständigt. Sie sei „noch in der Veredlung“. Matthias Meisner

Die Artikelsammlung im Internet:

www.die-linke.de/partei/geschichte

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