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Politik: Männer und Mütter

Von Hermann Rudolph

Das sind die Debatten, die wir lieben. Mit der Forderung nach der Verdreifachung der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren fangen sie an. Und am Rande eines Kulturkampfs erreichen sie ihren Höhepunkt: modernes Frauenbild gegen den Schutz der Familie. Berufstätige Mütter gegen die Küche-Kinder-Kirche-Ehe. Reformer gegen Konservative. Bleibt nur die Frage, ob die Debatte – zu der auch das unterschiedlich einsetzbare Totschlagargument „Rabenmutter“ und die gemischten Gefühle beim Seitenblick auf die Kinderhorte in der DDR gehören – nicht ein gutes Stück über der Wirklichkeit der Eltern schwebt, die das tägliche Management eines Lebens mit Kindern und Beruf betreiben, erfolgreich oder auf Kosten ihrer Nerven.

Aber der Zimmerbrand in der Union, den die Initiative von Familienministerin Ursula von der Leyen ausgelöst hat, hat schon seine Gründe, und sie gehen wahrhaftig nicht nur die Union an. Das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie liegt auf einer sehr pragmatischen Ebene. Das ist eine Frage des Alltags, der Lebenspraxis, mit der viele junge Familien hart ringen. Es nützt ihnen dabei wenig, ihnen zu bescheinigen, dass sie damit an einer wichtigen Front des gesellschaftlichen Wandels arbeiten. Aber es ist so – und deshalb ist es gut, wenn aus dem Gestrüpp von Kita-Plätzen, Familienpolitik und Finanznöten eine Grundsatzdebatte entsteht. Vor allem dann, wenn diese Debatte, was nicht immer der Fall ist, fair geführt wird.

Denn natürlich wird da auch kräftig, um mit Bismarck zu sprechen, die Fraktionsmatratze gestopft, sprich: Parteipolitik betrieben. Aber es geht eben auch um die Bilder, die wir von Ehe und Familie haben. Sie sind es – und nicht nur die Finanzpolitiker, die Wirtschaft oder die Tarifpartner –, die das pragmatische Handeln steuern, es beschleunigen oder blockieren können. An diesen Bildern rüttelt Frau von der Leyen, wenn sie mit dem ihr eigenen entschlossenen Charme die Familienpolitik ins Zentrum des öffentlichen Interesses schiebt. Am Ende geht es darum, ob das höhere Maß der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das sie ermöglichen will, mehr Menschen, vor allem mehr Frauen, mehr Lebenschancen bietet oder ob sie – wie ihre Kritiker meinen – wichtige Werte unserer Gesellschaft beschädigt.

Es macht die Debatte nicht leichter, dass sie so neu nicht ist. Vor mehr als zwanzig Jahren, im März 1985, versuchte die CDU auf einem Parteitag in Essen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schon einmal zum Thema zu machen. Mit „Neuer Partnerschaft“ und „Neuer Mütterlichkeit“ – wie die Reizworte damals hießen – sowie der Frage, wie weit man dem Zeitgeist entgegenkommen dürfe und wie sehr man ihm entgegentreten müsse, wurde das familienpolitische Feld einen ganzen Tag lang beackert. Aber der Blick zurück macht nicht nur die nach wie vor vorhandenen Defizite deutlich, sondern auch, wie viel sich seither verändert hat.

Das alte Rollenverständnis von Mann und Frau, das noch die Nachkriegszeit dominierte, ist offenbar abgearbeitet. Dass Frauen ihren Beruf gelernt haben, um ihn auszuüben, ist Gemeingut geworden, dass Männer einen Anteil an der Kinderbetreuung haben ebenso. Auch wird in der Debatte kaum noch bestritten, dass der Beitrag einer liberalen Gesellschaft auf diesem heiklen Felde nur darin bestehen kann, Bedingungen zu fördern, die die eigene Entscheidung ermöglichen – und sozialen Druck zurückzudrängen, der die Wahlmöglichkeiten wieder verkürzt. Der Rest ist individuelle Lebensplanung und Alltagsorganisation.

Sind wir also weiter, als die aktuellen Kontroversen glauben lassen? Die Antwort ergibt sich nur zum Teil aus dem gereizten Abgleich der Positionen, den wir erleben. Sie entscheidet sich zwischen Kinderzimmer und Schulweg, an der Frage, ob Mütter in den Beruf zurückgehen können und Väter Familienzeiten nehmen, also im Umgang von Vätern, Müttern und Kindern miteinander. Der Staat kann, nein: muss etwas dazu tun. Eine Lösung kann er nicht bereitstellen.

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