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Politik: Massenbesuch trotz Geheimhaltung

ROM .Während die Flughäfen von Brindisi und Bari wegen des nahen Krieges im Kosovo geschlossen werden mußten, haben die NATO-Stützpunkte im Nordosten Italiens die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

ROM .Während die Flughäfen von Brindisi und Bari wegen des nahen Krieges im Kosovo geschlossen werden mußten, haben die NATO-Stützpunkte im Nordosten Italiens die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.Gewiß, vom ersten Tag der Bombeneinsätze in Jugoslawien bemüht sich die Polizei, Neugierige von den Militärflughäfen Aviano (Provinz Pordenone) und Istrana (Provinz Treviso) fernzuhalten.Doch diese Bemühungen waren eher rührend als erfolgreich.Ortsschilder verschwanden über Nacht hinter dunklen Klebestreifen.Im weiten Umkreis um die Anlagen der NATO waren die Straßen für Fahrzeuge gesperrt.Aber die Menschen kamen zu Tausenden als Fußgänger.

Zuerst fanden die Pazifisten den Weg nach Aviano.Von Helmen geschützt, die Gesichter hinter schwarzen Tüchern verhüllt, zogen sie dem Sitz des 30.Geschwaders der italienischen Luftwaffe entgegen, trugen Spruchbänder ("stop the bombs") und skandierten: "Italien raus aus der NATO." Keiner weiß so recht, wer angefangen hatte: Plötzlich flogen Steine.Die Polizei schoß mit Tränengas.Zum Glück eskalierte die Schlacht nicht, als die Beamten die Demonstranten gewähren ließen und diese darauf verzichteten, weiter vorzurücken.

Seit Ostern kommen Neugierige zu Zehntausenden.Bei schönem Wetter lagern sie nahe dem Rollfeld mit hausgemachter Pasta und reichlich Rotwein an säuberlich gedeckten Tischchen und auf Klappstühlen.Bewaffnet sind sie mit starken Ferngläsern, Videokameras, Fotoapparaten mit Teleobjektiv und Tonbandgeräten, von denen sie kräftig Gebrauch machen, obwohl Verbotsschilder solches Tun unter Strafe stellen.Wenn wieder eine Gruppe von Flugzeugen startet, winken die Kriegstouristen, um die Piloten zu grüßen, oder sie klatschen sogar Beifall.Carabinieri und Polizisten scheinen ratlos und fragen ihre Vorgesetzten nach präzisen Weisungen.Diese bleiben aber aus.

Vor Istrana bei Treviso ist das Bild kaum anders.Nur daß hier noch ein nationales Argument hinzukommt: Von dem kaum bekannten Städtchen in Venetien aus starteten die ersten italienisch besetzten Jagdbomber vom Typ AMX in Richtung Osten, die nach Auskunft des Kommandos in Vicenza zwei 500-Kilo-Bomben tragen können oder vier zu je 250 Kilogramm.Am Rande der heranreifenden Maisfelder fehlt es nie an Schaulustigen.Wenn sie Glück haben, bekommen sie einen ihrer Piloten von weitem zu sehen.Aber auch "Mirages" und "Jaguars" mit französischer Besatzung warten hier auf ihren Einsatz.

Trotz der Atmosphäre eines Sonntag-Nachmittag-Vergnügens geht es nahe den Fliegerhorsten aber nicht nur heiter zu.Hier wachsen auch die Ängste, ob denn die Serben mit ihren "Migs" nicht auch zurückschlagen und Flughäfen auf der Apenninhalbinsel zerstören könnten.Die Zeitungen berichten ausführlich darüber, wieviele Abfangjäger eine solche Attacke verhindern und wieviele Luftabwehrraketen der NATO einen Erfolg von Milosevics Flugzeugen zunichte machen würden.Gerüchte sprachen sogar schon von Luftkämpfen über der Adria, bei denen angreifende "Migs" im letzten Augenblick vom Himmel geholt worden seien.Doch sowohl Militärs als auch die Regierung in Rom dementieren bisher solche Meldungen.

HORST SCHLITTER

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