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Politik: Mazedonien: Am Rande des Bürgerkriegs

Die mazedonischen Regierungstruppen haben am Donnerstagnachmittag in der Nähe von Kumanovo im Norden des Landes eine neue Offensive gestartet. Zwei Kampfhubschrauber aus ehemals sowjetischer Produktion beschossen Häuser und einen Wald in der Nähe des Dorfes Vakcince.

Die mazedonischen Regierungstruppen haben am Donnerstagnachmittag in der Nähe von Kumanovo im Norden des Landes eine neue Offensive gestartet. Zwei Kampfhubschrauber aus ehemals sowjetischer Produktion beschossen Häuser und einen Wald in der Nähe des Dorfes Vakcince. Albanische Rebellen hatten dort am frühen Morgen zwei Angehörige der mazedonischen Streitkräfte getötet und einen Soldaten entführt. Der jüngste Zwischenfall wird weiter zur Verschärfung der Lage im Vielvölkerstaat beitragen. Bereits am vergangenen Wochenende war eine Patrouille der Regierungstruppen in einen Hinterhalt geraten. Dabei starben acht Sicherheitskräfte. Nach der Bestattung der Opfer stürmten mazedonische Zivilisten in der südlichen Stadt Bitola Läden und Geschäfte von albanischen Mitbürgern.

Der jüngste Angriff auf eine Patrouille der Regierungstruppen ereignete sich diesmal ganz im Norden des Balkanstaates, im Dreieck zwischen Mazedonien, Südserbien und Kosovo. Die Regierung in Skopje reagierte mit einem Ultimatum an die Bewohner von zwei Dörfern, die offenbar als Hochburgen der Rebellen betrachtet werden: Die Einwohner von Vaksince und Lipkovo wurden bis Donnerstag 15 Uhr aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen und sich in die nächstgrößeren Städte Kumanovo, Tabanovce oder Lipkovo zu bewegen.

In einer gemeinsamen Erklärung appellierten das Verteidigungs- und das Innenministerium an die bewaffneten Rebellen, den Abzug der Zivilbevölkerung nicht zu behindern. "Wir appellieren an die Terroristen, die Bevölkerung nicht als Schutzschild zu benutzen", sagte Stevo Panderovski, der Sprecher des Innenministeriums, vor dem Beginn der Offensive.

Männer in schwarzen Uniformen

Ob die Zivilbevölkerung die umkämpften Dörfer verlassen konnte, war vorerst unbekannt. Ein Sprecher der Rebellen bestätigte am Donnerstag den Zwischenfall vom frühen Morgen. Der Kommandeur mit dem Kriegsnamen "Hoxha" bezeichnete die Soldaten als Eindringlinge, die im Dorf Vaksince aufgegriffen worden seien. Nach Angaben des Innenministeriums in Skopje sollen albanische Rebellen die Region bei Kumanovo zur "befreiten Zone" erklärt haben.

Das mazedonische Staatsradio meldete, die Männer in den schwarzen Uniformen seien am Mittwoch auch im benachbarten Dorf Matejce aufgetaucht. Die "Terroristen", so die offizielle Sprachregelung der Regierungsbehörden, benutzten die Zivilbevölkerung als "menschliche Schutzschilde".

In der südlichen Stadt Bitola hat die von den Behörden verhängte nächtliche Ausgangssperre vorerst zu einer Beruhigung geführt. Nach der Beerdigung der acht Opfer des Hinterhalts vom Samstag hatten in der südlichen Stadt Bitola mazedonische Zivilisten Albaner angegriffen und deren Läden geplündert. Die Ausschreitungen von Bitola waren ein erstes Anzeichen, dass in Mazedonien das befürchtete Bürgerkriegs-Szenario Wirklichkeit werden könnte. Die slawisch dominierte Polizei schaute bei den Ausschreitungen in Bitola offenbar zu.

Gewalt auch in Skopje

In der Nacht zum Mittwoch war auch die Hauptstadt Skopje Schauplatz von Gewalt. Maskierte Männer schossen auf ein Café, das einem Albaner gehört. Ein Gast starb wenig später an den tödlichen Verletzungen. Die Umgebung der ethnisch gemischten Stadt Kumanovo an der Nordgrenze Mazedoniens gilt allerdings vor dem Hintergrund eines drohenden Bürgerkriegs als besonders gefährdet. Neben slawischen Mazedoniern und Albanern leben dort auch Angehörige einer serbischen Minderheit.

Vor gut einem Monat hatte die mazedonische Regierung eine erste Offensive gegen albanische Rebellen im Westen des Landes für "erfolgreich beendet" erklärt. Die Europäische Union hatte die slawisch dominierte Regierung in Skopje aufgefordert, die Waffenruhe für Verhandlungen mit den politischen Vertretern der albanischen Volksgruppe zu nutzen. Die Regierung hatte sich selbst bis Ende Juni Zeit gegeben, um nach einer politischen Lösung zu suchen.

Die regelmäßigen Gespräche werden unter dem Patronat von Präsident Boris Trajkovski geführt, der diese Woche bei einem Besuch in Washington vom Amtskollegen Bush Unterstützung für den innermazedonischen Dialog bekam. Vertreter der Albaner haben den offiziellen Dialog jedoch schnell als bedeutungsloses "Teekränzchen" charakterisiert. Bisher haben die beiden Seiten keine greifbaren Ergebnisse erzielen können. Für einen Dialog könnte es ohnehin bald zu spät sein: "Die Situation gerät außer Kontrolle", kommentierte in Skopje die Zeitung "Utrinski Vesnik".

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